Zu Besuch im Haus der verlorenen Seelen

Wim Wenders wie man ihn kennt. Mit «The Million Dollar Hotel» drehte der Deutsche wieder einmal einen zwar äusserst langatmigen, aufgrund formaler Ästhetik aber dennoch absolut sehenswerten Film.

 

von Sandro Danilo Spadini

«Die Angst des Tormanns beim Elfmeter» (1971) war ein erster Achtungserfolg. «Der amerikanische Freund» (1976) sein erster Film mit internationalen Stars. Für «Paris, Texas» (1984) gab es die Goldene Palme von Cannes, und «Der Himmel über Berlin» (1986) war ein derart wunderbarer Film, dass Hollywood sich vor zwei Jahren bemüssigt fühlte, ein Remake mit Nicolas Cage und Meg Ryan zu drehen («City of Angels»). Regisseur Wim Wenders  ist längst eine hochgeschätzte Institution im internationalen Filmbusiness. Was jedoch sein Schaffen in den Neunzigerjahren angeht, so läuft er Gefahr, seinen guten Namen zu verspielen.

Gepflegte Langeweile

Filme wie «Bis ans Ende der Welt» (1991) oder zuletzt «The End of Violence» (1997) wurden vom Publikum gemieden und von der Presse in der Luft zerrissen. So unbestritten seine auf die Leinwand gebrachten philosophischen Ergüsse an akutem Spannungsmangel litten, so eindrücklich zeigten sie auch, welch überragende formale Fähigkeiten der 55-Jährige besitzt. Die von ihm erzeugten Bilder sind gleichsam Kunstwerke und nicht selten hat man nach dem Besuch eines Wenders-Streifens das Gefühl, vielmehr einer Vernissage als einem Spielfilm beigewohnt zu haben. Mit seinem neuen Film bleibt Wenders dieser Linie abermals treu. Zwar ist nicht mehr viel von seiner einstmals so kontraproduktiven Verbissenheit zu spüren, doch auch in «The Million Dollar Hotel» hat er dem Zuschauer nicht wirklich viel zu erzählen – und bereitet ihm als Entschädigung dafür einen wahren Augenschmauss. Das titelgebende Etablissement hat wie die von ihm beherbergten Gäste schon bessere Zeiten erlebt. Als jedoch der exzentrischer Millionärssohn Izzy vom Dach des Hauses stürzt, kommt der Ruhm zurück. Da auch die extrovertierten Bewohner des Hauses im Zuge der medialen Präsenz zu ihrer Warholschen Fünfzehn-Minuten-Prominenz gelangen, stört sich niemand besonders an der Anwesenheit des FBI-Agenten Skinner, der hinter Izzys Tod einen Mord vermutet. Skinners Hauptaugenmerk bei seinen äusserst unorthodoxen Ermittlungsmethoden richtet sich auf den einfältigen Concierge Tom Tom,  welcher sich seinerseits mehr mit der  Prostituierten Eloise befasst.

Trotz Mängel sehenswert

Die Idee zu «The Million Dollar Hotel» stammt von U2-Frontmann Bono. Leider hat es Wenders nicht verstanden, diese reizvolle Grundkonstellation zu einer brauchbaren Story für seinen erneut über zweistündigen Film auszuarbeiten. Um seine ins Stocken geratene Karriere wieder anzukurbeln, setzte er vielmehr auf das bewährte Mittel Starpower. Warum er jedoch mit Mel Gibson und Milla Jovovich zwei in ihren schauspielerischen Fähigkeiten derart limitierte Akteure an Bord holte, bleibt sein Geheimnis. Überhaupt vermag der Film in dieser Hinsicht nicht zu überzeugen, was nicht zuletzt an den völlig überzeichneten Figuren liegt. Nichtsdestotrotz ist «The Million Dollar Hotel» der bei Weitem gelungenste Wenders-Film der letzten Jahre und ist alleine schon wegen des hervorragenden Soundtracks und der wunderbaren Bilder absolut sehenswert.