von Sandro Danilo Spadini
«Frauen sind Heilige», sagt Frauenarzt Dr. Sully Travis, kurz Dr. T, zu Beginn des neuen Robert Altman-Films. Nun ja, die Frauen in seiner näheren Umgebung kann er damit kaum gemeint haben,
denn die scheinen allesamt plötzlich dem Wahnsinn verfallen zu sein. Seine offenbar wieder zum Kinde mutierte Ehefrau muss er in eine psychiatrische Anstalt bringen, seine – eigentlich lesbische
– Tochter Dee Dee möchte heiraten, was die andere Tochter wiederum mit panischer Eifersucht erfüllt. Seine Schwägerin ist eine Schnapsdrossel, seine Assistentin will ihm an die Wäsche und seine
betuchten Patientinnen sind allesamt hysterische Hühner mit einem Hang zur Hypochondrie. Kein Wunder, dass Dr. T zuweilen das Bedürfnis hat, seinem hektischen Alltag zu entfliehen und die Idylle
des Golfplatzes zu suchen. Dort verliebt er sich in seine Golflehrerin, die offensichtlich die einzige Frau ist, die ihm das geben kann, was er so dringend benötigt: Ruhe. Doch der Frieden ist
nur von kurzer Dauer. Bald hat ihn der Alltag wieder im Griff. Obwohl er all das Chaos um ihn herum mit der bewundernswerten Geduld eines tibetischen Mönchs erträgt, scheint der finale Kollaps
unausweichlich zu sein.
Meister der Besetzung
Nach seinem sehr ruhigen, beinahe schon gemächlichen Film «Cookie’s Fortune» setzt Regie-Altmeister Robert Altman («Short Cuts») mit «Dr. T. and the Women» einen deutlichen Kontrapunkt.
Verweigert die guter Altman-Tradition folgende Bildsprache noch das Tempo, gehorchen die Figuren einem Prinzip der hektischen Betriebsamkeit, das an seine frühere Satire «Prêt-à-Porter (1995)
erinnert. Bei der Besetzung dieser Figuren beweist sich Altman einmal mehr als grosser Könner. Derweil Richard Gere als Fels in der Brandung in seiner gewohnten Nonchalance agiert, stellen
Jungstars wie Tara Reid oder Liv Tyler auf der einen und routinierte Aktricen wie Laura Dern oder Oscar-Preisträgerin Helen Hunt («As Good as it Gets») auf der anderen Seite ihr Können unter
Beweis.
Trotz Schwächen kein Schiffsbruch
«Dr. T and the Women» darf durchaus als typischer Altman-Film bezeichnet werden, wenn auch nicht als einer seiner besten. Wie meistens spart die Regielegende auch in seinem neuen Werk nicht mit
Seitenhieben auf die Gesellschaft. Leider bleibt es aber über weite Strecken im Unklaren, worauf Altman eigentlich heraus will und es drängt sich der Verdacht auf, dass dies alles am Ende doch
bloss etwas belanglos, da auch nicht sonderlich witzig ist. Der Kunstgriff, den sich Altman schliesslich beim Finale erlaubt, ist dann zwar von seiner Grundidee her durchaus originell, in seiner
formalen Ausgestaltung jedoch nur wenig überzeugend. Dennoch erleidet «Dr. T and the Women» dank guter Besetzung und unvergleichlichem Altman-Touch keinen Schiffsbruch – ganz im Gegensatz zu
seinem bedauernswerten Protagonisten.