von Sandro Danilo Spadini
Es scheint ein neuer Trend in der Filmbranche zu sein, dass junge Regisseure bei ihren neuen Filmen konsequent auf das Erfolgskonzept des Vorgängers setzen. Überaus evident ist diese Taktik
gerade bei M. Night Shyamalans kürzlich erschienenem Thriller «Unbreakable», der voll und ganz auf den Spuren seines Hits «The Sixth Sense» wandelt. Der Engländer Guy Ritchie, der frischgebackene
Ehemann von Popgöttin Madonna, geht mit seiner Gaunerkomödie «Snatch» ebenfalls kein Risiko ein und orientiert sich an seinem brillanten Erstlingswerk «Lock, Stock & Two Smoking
Barrels».
Very british
Die Parallelen zwischen «Unbreakable» und «Snatch» sind frappant, weisen aber einen gewichtigen Unterschied auf: Wo bei Shyamalan die Rechnung mangels Originalität der Story nicht aufgeht, macht
Ritchie sein konzeptionelles Manko gleich in mehrfacher Hinsicht wett. Tolpatschige Gangster, misslungene Coups und geradezu groteskes Chaos – gewiss war dies alles bereits in «Lock, Stock &
Two Smoking Barrels» zu sehen, doch was Ritchie in «Snatch» an skurrilen Ideen und Figuren hinzufügt, ist nichtsdestoweniger verblüffend. Ob dies nun ein quietschender Hund ist oder Brad Pitt als
boxender Zigeuner – die Zutaten von «Snatch» sind von aller feinstem beziehungsweise aller derbstem britischen Humor. «Lock, Stock & Two Smoking Barrels» wurde als eine Art Mischung aus
«Trainspotting» und «Pulp Fiction» gefeiert. «Snatch» ist nun gleichsam das mit bedeutend grösserem Budget produzierte Remake oder allenfalls Sequel, das nicht bloss einen technisch höheren
Standard aufweist, sondern darüber hinaus auch noch mit einer erstklassigen Besetzung aufwarten kann. Neben bewährten Kräften wie Jason Statham oder dem ehemaligen Fussballrüpel Vinnie Jones
gesellen sich amerikanische Stars wie Benicio del Toro, Dennis Farina oder Brad Pitt dazu. Gerade letzterer beweist wieder einmal, was alles in ihm steckt, wenn man ihn denn nur lässt.
Tarantino und die Coens
Verweisen der Handlungsrahmen und die bisweilen aberwitzigen Dialoge von «Snatch» eindeutig auf «Pulp Fiction», so können bezüglich der Figurenzeichnung die Coen-Brüder zum Vergleich herangezogen
werden. Insbesondere die Gefühlskälte seitens des Regisseurs gegenüber seinen comichaft überzeichneten Protagonisten ist aus Filmen wie «The Big Lebowsky» wohl bekannt. Den Vergleich mit diesen
grossen Vorbildern braucht Ritchie durchaus nicht zu scheuen, zumal «Snatch» ein Film ist, der wirklich Spass macht und auch schon so etwas wie eine eigenständige Handschrift des Regisseurs
erkennen lässt. Spätestens beim nächsten Mal muss Ritchie aber beweisen, dass er mehr kann, als nur rasant geschnittene, poppig-skurrile Gaunerkomödien.