von Sandro Danilo Spadini
Es ist immer eine etwas verzwickte Sache, wenn sich Hollywood an einen historischen Stoff heranwagt – Oliver Stone kann ein Lied davon singen. Heftige Schelte fing sich der Meisterregisseur für
Filme wie «JFK» (1991) und «Nixon» (1995) ein. Gewagte Spekulationen, mangelnde Faktentreue und historische Ungenauigkeiten wurden Stone damals seitens der Zeter und Mordio schreienden
Expertenschaft vorgeworfen. Doch so berechtigt diese Einwände auch sein mochten, die Historiker verkannten in ihrer Entrüstung ein gewichtiges Kriterium: Oliver Stone arbeitet fürs Kino und nicht
etwa fürs Schulfernsehen. Wie sagte doch jüngst Literaturkritiker-Papst Marcel Reich-Ranicki bei der Besprechung des auf historischen Grundlagen basierenden Buches «Der Besuch des Leibarztes» von
Per Olov Enquist: Die historische Genauigkeit interessiere ihn überhaupt nicht, schliesslich stehe vorne auf dem Deckel das Wort Roman drauf.
Dialoglastig und faktentreu
Da diese Absolution quasi von höchster Stelle kommt, sei es denn auch Regisseur Roger Donaldson verziehen, dass er in seinem neuen Film «Thirteen Days» der Kubakrise von 1962 bisweilen eine
kräftige Portion Hollywood tauglicher Dramatik beifügt und in seiner Schilderung der Ereignisse dieser hochgradig kritischen 13 Tage Präsident John F. Kennedy abermals als eine einem Heiligen
gleiche Lichtgestalt abbildet. Zusätzliche Legitimität erfährt diese Art der Inszenierung durch die Tatsache, dass sich Donaldson in seinem aussergewöhnlich dialoglastigen Film sehr wohl an die
Fakten hält und dem Zuschauer einiges an Konzentration abverlangt. Hauptfigur von «Thirteen Days» ist der umtriebige Kennedy-Berater Kenny O’Donnell (Kevin Costner). Nachdem ein
amerikanisches Aufklärungsflugzeug auf Kuba sowjetische Atomraketen entdeckt hat, ist es seine Aufgabe, Präsident Kennedy (brillant: Bruce Greenwood) und seinem Bruder Bobby (Steven Culp) beim
Versuch, eine Eskalation zu verhindern, zur Seite zu stehen. Es beginnen die gefährlichsten Tage des Kalten Krieges, wo ein falscher Schritt das Ausbrechen des dritten Weltkrieges bedeuten würde.
Die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass in der amerikanischen Regierung einige militärische Betonköpfe eine diplomatischen Einigung ablehnen und eine
Invasion auf Kuba forcieren. Obwohl es allgemein bekannt ist, dass es nicht dazu gekommen ist, entwickelt «Thirteen Days» ein nicht geringes Spannungspotenzial und gewährt hoch interessante
Einblicke in die Abläufe der Weltpolitik.
Lichtblick für Costner
Durch das Einfügen von grobkörnigem dokumentarischem Material und zahlreichen Übergängen in Schwarz-Weiss-Sequenzen erinnert «Thirteen Days» nicht bloss wegen seines Hauptdarstellers und der
Figur Kennedy mitunter an Stones «JFK», obschon Donaldson insgesamt freilich eine ungleich traditionellere Bildsprache verwendet. Für Kevin Costner indes bedeutet «Thirteen Days» mal wieder ein
Lichtblick in seiner zuletzt äusserst tristen kinematografischen Vita. «Thirteen Days» ist – Interesse an der Materie vorausgesetzt – ein mitreissender Politthriller, der zwar nicht ganz auf
massentaugliche Dramatisierungen verzichtet, aber dennoch respektvoll mit der Geschichte umgeht.