von Sandro Danilo Spadini
Wenn Steven Spielberg und Tom Cruise erstmals gemeinsame Sache machen, ist nicht gerade mit allzu kopflastiger Kost zu rechnen. Zwar wählte Spielberg mit der Kurzgeschichte «The Minority Report»
des Science-
fiction-Autors Philip K. Dick (Vorlage zu «Blade Runner») eine durchaus anspruchsvolle und philosophisch reizvolle Grundlage für die Elefantenhochzeit, was er daraus machte, ist
jedoch erwartungsgemäss äusserst massen- und kassentauglich. «Minority Report» spielt im Washington des Jahres 2054. Seit sechs Jahren hat sich hier kein Mord mehr ereignet. Zu verdanken ist dies
einem neuartigen Konzept der Verbrechensbekämpfung namens Pre-Crime, das es den Ermittlern mit Hilfe dreier menschlicher Medien ermöglicht, zukünftige Morde zu sehen und damit zu verhindern. Als
eine Vorhersage den fähigen und engagierten, durch den Tod seines Sohnes aber traumatisierten Pre-Crime-Cop Anderton (ein Drogen konsumierender Tom Cruise!) als Täter ausweist, muss dieser die
Flucht ergreifen.
Gelungenes Finale
Seine besten Momente hat «Minority Report» erst gegen Schluss, wenn sich Spielberg fast ausschliesslich um die Kriminalhandlung kümmert. Dass Tom Cruise keinen Mörder spielen kann, liegt
zwar auf der Hand, und nach der ersten überraschenden Wendung ist auch schon ziemlich bald klar, wer da ein böses Spiel mit ihm treibt. Spannung kommt aber trotzdem auf, zumal Spielberg im
letzten Drittel geradlinig und schnörkellos, temporeich und packend auf das Finale hinsteuert, wo er schliesslich alle Puzzleteile gekonnt und routiniert zusammenfügt. Störend beim Schlussakt
dieser opulenten Sciencefiction-Oper wirken lediglich die immer mehr in stereotypes Verhalten versinkenden Figuren und das unvermeidliche Happy End auf allen Ebenen.
Das Kind im Manne
«Minority Report» hätte nicht nur einer der gelungensten Spielberg-Filme der letzten Zeit werden können – was er trotz aller Mängel auch so ist –, sondern gar grosses Kino jenseits von
Dinosauriern, Ausserirdischen und kinotauglich dramatisierter und vereinfachter Geschichtsschreibung. Leider aber muss sich wieder einmal das offenbar sehr dominante Kind in Spielberg lauthals
Gehör verschaffen. Der nur selten originelle futuristische Schnickschnack, welcher dieser Zukunftsvision wohl beigefügt wurde, um auch noch einige jüngere Zuschauer anzulocken, ist denn auch
überaus überflüssig und überdies der Stimmung abträglich, bisweilen kindisch und lächerlich und nicht zuletzt Gift für einen Film, der düster sein möchte. Das philosophische,
gesellschaftskritische Element grob vernachlässigend, nimmt «Minority Report» seine Thematik ohnehin zu wenig ernst. Die visuelle Umsetzung ist allenfalls pseudo-düster, die Bilder, vorzugsweise
in Blautönen gehalten, wirken viel zu glatt, als dass sie eine ähnliche Stimmung erzeugen könnten wie etwa jene in Terry Gilliams um verwandte Themen kreisender Thriller «12 Monkeys». Die
gleichsam monumentalen Einstellungen schliesslich schwanken zwischen aussergewöhnlich eindrücklich und aufdringlich protzig. Spielberg versucht in «Minority Report» seinen Vorbildern Hitchcock,
Kubrick und Truffaut nachzueifern. Deren Klasse wird er aber freilich erst dann erreichen, wenn er endlich erwachsen wird und lernt, sich auch einmal zurückzunehmen.