von Sandro Danilo Spadini
David Fincher: Der Name steht für Provokation und nach gerade einmal fünf Filmen gleichsam als Synonym für ebenso verstörendes wie kontrovers diskutiertes Kino. Sein zweiter Film «Seven» erhitzte
aber nicht bloss die Gemüter, sondern sicherte ihm auch einen Eintrag in die Filmgeschichtsbücher. Denn mit seiner düsteren Bildkomposition, seiner hektischen, der Werbe- und Videoclipästhetik
verhafteten Schnitttechnik, aber auch der «Stilisierung des Hässlichen» und dem verblüffenden Finale, ohne das seither fast kein Thriller mehr auskommt, hat «Seven» sein Genre geprägt wie kaum
ein anderer Film der letzten Jahre.
Rückbesinnung
Nach dem etwas zahmeren, die Erwartungen aber erfüllenden «The Game» (1997) folgte 1999 mit «Fight Club» dann wieder ein Film von der Sogkraft von «Seven»: atemberaubend, provokativ, lärmend –
und ein Meisterwerk. Nun also kommt «Panic Room»
und mit ihm eine Rückbesinnung auf das traditionelle Kino: Die von ihrem Ehemann verlassene Meg Altman (Jodie Foster) und ihre Tochter Sarah werden am ersten Abend in ihrem frisch bezogenen Haus
von drei brutalen Einbrechern überfallen. Gerade noch rechtzeitig können sie in ihren High-Tech-Schutzbunker, den «Panic Room», fliehen. Groteskerweise befindet sich aber gerade dort der Tresor,
auf den es die Eindringlinge abgesehen haben...
Kammerspiel
Dies ist die Grundkonstellation für ein hoch spannendes, geradlinig erzähltes Kammerspiel. Die Belagerung, die Bedrohung von aussen und die verzweifelte, aber beherzte Gegenwehr: Solche
klassischen Komponenten teilt «Panic Room» mit Filmen wie Howard Hawks‘ «Rio Bravo» (1959) oder John Carpenters «Assault» (1976). Finchers Film ist überdies aber auch als Parabel zu deuten: So
repräsentiert das Haus sowohl in der Literatur (Kafkas «Ein Landarzt») als auch im Film (Egoyans «Der Schätzer» oder Lynchs «Lost Highway») immer wieder das Innenleben einer Person. Wenn also die
Einbrecher in den so perfekt geschützten «Panic Room», den am schwersten zugänglichen Ort des Hauses, einzudringen versuchen – der Tresor liegt denn erst noch unter dem Boden verborgen – , dann
sieht Meg nach dem Ehebruch ihres Mannes gleichsam ihr tiefstes Inneres erneut bedroht. Mit Jodie Foster, die für die verletzte Nicole Kidman eingesprungen war, hat Fincher hierfür die perfekte
Darstellerin: eine zwar verletzlich wirkende, aber zum äussersten bereite Kämpferin. Die Beschränkung auf einen Handlungsort ist bestimmt eine der Hauptquellen für das dichte Spannungspotenzial.
Sie bewirkt aber auch, dass Fincher seinen virtuosen (oder wie manche ketzerisch sagen: manierierten) Regiestil zügeln muss. Nichtsdestotrotz nutzt er fast schon gierig jede sich ihm bietende
Gelegenheit für die eine oder andere – bisweilen auch etwas selbstverliebte – Extravaganz. Insgesamt nimmt sich Fincher aber auch diesbezüglich so stark zurück wie in keinem seiner früheren
Filme. Und auf die verblüffende Auflösung zum Schluss wartet man ebenfalls vergebens.