Tragikomisches in gepflegtem Schwarzweiss

Mit «The Man Who Wasn’t There» drehten die Coen-Brothers eine wunderbare Hommage an den Film Noir. Stilistisch beschreiten sie dabei zwar wieder einmal neue Wege, bleiben sich letztlich aber doch treu.

 

von Sandro Danilo Spadini

Ein Friseur. Kettenraucher. Stoiker. Einmal in seinem Leben ist dieser Mann aufgestanden und hat die Initiative ergriffen, eine Gelegenheit beim Schopfe packen wollen. Wegen des Geldes vielleicht. Aus Liebe womöglich. Oder am Ende einfach nur aus Langeweile? Es bleibt unklar, wie dieser Mann unklar bleiben wird. Sicher ist nur, dass alles, aber wirklich alles schiefgelaufen ist. Eine Katastrophe nimmt ihren Lauf. Immer näher rückt der Abgrund. Und was tut dieser Mann? Nichts.

Eigene Handschrift

«The Man Who Wasn’t There» heisst der neue Coen-Film und ist als solcher wie üblich bereits nach wenigen Szenen zu identifizieren. Auch in ihrem neunten Film ist alles da, was den typischen «Coen-Touch» ausmacht: eine kohärente, gegen Raum und Zeit scheinbar immune Szenerie, makabrer Humor, aberwitzige Dialoge und natürlich unwirkliche, gleichsam comichafte Figuren, die von ihren Schöpfern nichts als alle erdenklichen Gemeinheiten und kein Mitleid zu erwarten haben. Irgendetwas ist zwar auch dieses Mal anders – aber anders ist bei den Filmen von Joel und Ethan Coen ja eigentlich immer irgendetwas. Denn nicht nur haben die Coens ihren eigenen Stil, auch das Einzelwerk hat jeweils sein Ureigenes. «The Man who Wasn’t there» hebt sich bereits rein optisch deutlich von seinen Vorgängern ab, ist er doch als Hommage an den Film Noir in äusserst edlem Schwarzweiss gedreht. Die gesamte Inszenierung ist konsequenterweise sehr ruhig und bewusst altmodisch gehalten, was natürlich ursächlich mit dem übernatürlich gleichmütigen Protagonisten zusammenhängt, der, auch als Erzähler aus dem Off fungierend, überaus dominant im Zentrum des Films steht. Das Ruhige der Inszenierung findet auf narrativer Ebene in einer gewissen Langsamkeit, ja bisweilen ist man beinahe versucht zu sagen: einer gewissen Monotonie seine Entsprechung. Die Handlung wird darüber hinaus linear und traditionell erzählt. Einzig im letzten, schwächeren Drittel finden sich die für einen Coen-Film obligaten Traumsequenzen, die für einmal aber nicht ins Gefüge passen, keinen wesentlichen Beitrag zur Geschichte leisten und deshalb eher störend wirken. Sehr gelungen hingegen ist wiederum die akustische Untermalung mit schlichter klassischer Klaviermusik.

Kleines Juwel

Einmal mehr erweisen sich die Coens auch als Meister der Schauspielerführung. Hauptdarsteller Billy Bob Thornton übt sich in bewundernswerter Zurückhaltung und wird hier eigentlich fürs Nichtstun bezahlt. Frances McDormand, Muse und Ehefrau von Joel Coen, stellt als arrogante Provinzlerin, die zwar nicht zur Femme Fatale taugt, aber doch immerhin ihrem Ehemann untreu ist, erneut ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis. Wie die Coens auch. «The Man who Wasn’t there» verfügt nicht über den derben Humor von «The Big Lebowsky», steht innerhalb des coenschen Oeuvre näher bei «Fargo» oder dem Debüt «Blood Simple». Zwar sticht er aus diesem hauptsächlich wegen Längen im letzten Drittel nicht heraus, stellt aber dennoch ein kleines, unspektakuläres Kinojuwel dar.