von Sandro Danilo Spadini
Der zweimal für den Oscar nominierte schwedische Regisseur Lasse Hallström («Chocolat») verfilmt einen unter anderem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman der Amerikanerin E. Annie Proulx.
Seine Besetzung: Kevin Spacey (zwei Oscars), Judi Dench (ein Oscar, drei Nominierungen), Julianne Moore (zwei Nominierungen) und Cate Blanchett (eine Nominierung): Die Erwartungen an «The Shipping News» waren immens hoch. Umso länger
dürften wohl die Gesichter beim erfolgsverwöhnten Studio Miramax am 12. Februar gewesen sein, als die diesjährigen Oscar-Nominierungen bekannt gegeben wurden und ihr Topfavorit gänzlich leer
ausging. Völlig zu Unrecht blieb die Respektbekundung seitens der Academy freilich nicht aus; obschon er einen sehr schönen, ruhigen Film gedreht hat, vermag Hallström die Erwartungen nicht
restlos zu erfüllen. Sich ziemlich eng an die Vorlage haltend und in gewohnt stimmungsvolle, atmosphärische Bilder getaucht, erzählt er die Geschichte des unbedarften Mitdreissigers Quoyle, der
nach dem Tod seiner treulosen Frau mit seiner Tante und seiner Tochter nach Neufundland zieht. Als Journalist heuert er bei einer eher skurrilen kleinen Zeitung an, verfasst die «Shipping News»
(Schiffsmeldungen), macht die Bekanntschaft mit seltsamen Essgewohnheiten, noch seltsameren Dorfbewohnern und einer attraktiven Witwe.
Wenig Ecken und Kanten
Dass Hallström bloss eine gute und keine kongeniale Adaption gelungen ist, liegt hauptsächlich daran, dass er mitunter erhebliche Mühe bekundet, dem rauen Charme der Vorlage gerecht zu werden.
Wie so oft bei seinen Filmen weist die Inszenierung trotz durchaus kontroversen Inhalts zu wenig Ecken und Kanten auf und verliert sich in schwelgerischen, pittoresken Idyllen, was bisweilen zu
einer etwas befremdlichen Inkongruenz hinsichtlich des formalen und des inhaltlichen Aspekts führt. Bei «The Shipping News» ist zudem ein eher unausgewogenes Erzähltempo auszumachen. Dies schlägt
sich in der wenig stringenten Entwicklung der Hauptfigur nieder und bewirkt darüber hinaus eine Banalisierung der im Roman sehr komplex dargestellten Liebesbeziehung.
Garant Spacey
Der Probleme, die eine solche Literaturverfilmung mit sich bringt, war sich Hallström sehr wohl bewusst, zumal er in Interviews immer wieder auf die nicht sehr filmtaugliche Struktur von Proulx‘
Roman hinweist. Letztlich hat er seine Aufgabe aber recht gut, in einer die Eigenständigkeit des filmischen Werks betonenden Betrachtung sogar sehr gut gelöst, was bei einer derartigen
Traumbesetzung nicht weiter verwundert. Insbesondere Kevin Spacey überzeugt und verleiht diesem bedauernswerten Quoyle eine zerbrechliche, liebenswerte Aura, die Beschützerinstinkte weckt, aber
auch ein gewisses Identifikationspotenzial birgt. Dies ist denn auch schon die halbe Miete, erzählt doch «The Shipping News» seine Geschichte – die Geschichte über einen Neustart eines vom Leben
arg gebeutelten Mannes in stetem Kampf gegen die Dämonen der Vergangenheit und auf der Suche nach sich selbst, wobei am Ende die Hoffnung obsiegt, «dass die Liebe manchmal ohne Schmerzen und
Elend kommt».