von Sandro Danilo Spadini
Die Form hat Brian De Palma eigentlich schon immer über den Inhalt gestellt. Kino versteht der Hitchcock-Fan in erster Linie als ein visuelles Abenteuer. Das Erzählen einer logisch aufgebauten,
glaubwürdigen Handlung ist sekundär. Diesem Credo folgend hat De Palma bisweilen auch schon über die Stränge geschlagen – man erinnere sich da bloss an den in optischer Hinsicht
elektrifizierenden, ansonsten aber einschläfernden 1998er-Flop «Snake Eyes». Zumeist aber hat De Palma grosses Kino oder zumindest hochwertige Mainstream-Kost geschaffen, wie ein Blick auf seine
Vita mit Filmen wie «Carrie» (1976), «Scarface» (1983), «The Untouchables» (1987) oder «Mission: Impossible» (1996) zeigt.
Erotik und Ästhetik
Nach seinem missglückten ersten Ausflug ins Sciencefiction-Genre («Mission to Mars», 2000) kehrt De Palma mit «Femme Fatale» wieder auf vertrautes Terrain zurück. Der erotische Film-noir-Thriller wandelt auf den beinahe schon verwischten
Spuren von «Dressed to Kill» (1980) und «Body Double» (1984) – zwei De-Palma-Klassikern, in welchen ein morbider Cocktail aus Sex und Tod serviert wird. «Femme Fatale» ist ein nachgerade
unverschämt voyeuristischer, überaus ästhetisch und kunstvoll fotografierter, über weite Strecken den klassischen Mustern des Film noir folgender Augenschmaus – sexy, verrucht, mitunter vulgär.
Handlungsträgerin ist eine obszön attraktive «femme» (Rebecca Romijn-Stamos), die wahrhaftig «fatale» ist. Viel häufiger als bei ihrem Namen (Laure bzw. Lily) wird sie im Verlaufe des eher
dialogarmen Films von den gehörnten Männern denn auch «bitch» geschimpft.
Verführerischer Bilderreigen
Mit einer fulminanten Auftaktsequenz, am Filmfestival von Cannes spielend, beginnt «Femme Fatale» zunächst als Caper-Movie. Objekt der Begierde ist ein extravaganter Designerschmuck, welcher sich
um den Körper eines französischen Starlets schmiegt. Derweil ihre männlichen Komplizen mit Hightech-Geräten und Waffen ausgerüstet sind, bedient sich Laure bloss eines einzigen, aber umso
effektiveren Instruments, ihrer Erotik, und bleibt am Ende die einzige Gewinnerin des Coups – freilich nicht ohne vorher ihre Mitverschwörer abserviert zu haben. Sie flieht in die USA, heiratet
einen wohlhabenden Politiker und kehrt nach sieben Jahren nach Paris zurück. Wegen eines Fotos eines Paparazzo (Antonio Banderas) droht ihre neue Existenz jedoch aufzufliegen, und so ist Laure.
einmal mehr Laure gezwungen, ihre Reize auszuspielen. So weit der Plot, welcher jedoch weit doppelbödiger ist, als er auf den ersten Blick zu sein scheint. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so
komplex und ausgefeilt wie David Lynch in «Lost Highway» und «Mulholland Drive» spielt De Palma mit als Realität getarnten Traumsequenzen, welche als solche sofort zu erkennen jedoch im Vergleich
zu Lynch ungleich schwieriger sind, zumal die Hinweise fast ein wenig zu gut versteckt sind. Spekulationen über die Handlung rücken aber ob des atemberaubenden visuellen Spektakels zwangsläufig
in den Hintergrund. So wie die vom Ex-Model Rebecca Romijn Stamos erstaunlich facettenreich verkörperte Laure in immer wieder neue Rollen schlüpft und mit den Waffen einer Frau ihr Gegenüber
verführt, spielt De Palma beinahe alle Trümpfe aus, die ein Filmemacher in Sachen optischer Gestaltung zur Verfügung hat, und verführt so sein Publikum. Was bleibt, ist durchaus
mainstream-fähige, europäisch angehauchte, teils magische Filmkunst, die nicht gerade zum neuen Klassiker taugt, in De Palmas beeindruckender Vita aber weiss Gott kein Schattendasein zu fristen
braucht.