Zwei Amerikanerinnen in Paris

James Ivorys neuer Film «Le Divorce» enttäuscht durch eine uninspirierte Regie, einen überfrachteten Plot, eine schwache Figurenzeichnung und das Auslassen einer grossen Chance.

 

von Sandro Danilo Spadini

James Ivorys Affinität zu Frankreich ist hinreichend dokumentiert: Drei der letzten vier Filme des 75-jährigen Amerikaners – «Jefferson in Paris», «Surviving Picasso» und «A Soldier’s Daughter Never Cries» – spielten zu einem guten Teil in jenem Land, mit welchem viele seiner Landsleute eine gleichsam irrationale Hassliebe verbindet. Ebendiese seltsame Beziehung zu beleuchten, schickt sich Ivory nun in seinem neuen Film «Le Divorce» an. Die auf Diane Johnsons gleichnamigem Bestseller basierende Tragikomödie erzählt von zwei amerikanischen Schwestern, die in der Stadt der Liebe mit Letzterer ihr Glück versuchen. Derweil sich die lebenslustige Isabel (Kate Hudson) bereits kurz nach ihrer Ankunft in Paris sozusagen im Doppelpack eindeckt und sich sowohl einen idealistischen jungen Beau als auch einen gut situierten älteren Rechtspolitiker angelt, steht die Dichterin Roxeanne (Naomi Watts) vor dem Scherbenhaufen ihres einstigen Liebesglücks: Gerade zum zweiten Mal schwanger, wird sie von ihrem phlegmatischen blaublütigen Ehemann Charles-Henri (Melvil Poupaud) Knall auf Fall verlassen. Dass dieser schon kurz darauf nicht bloss die Scheidung, sondern auch noch seinen Anteil am allfälligen Verkaufserlös ihres womöglich aus dem Pinsel von Georges de La Tour stammenden Lieblingsbildes reklamiert, bringt Roxeanne völlig aus der Fassung. Isabels Unmut ob dem ganzen Tumult um ihre Schwester hält sich unterdessen in Grenzen; sie vergnügt sich stattdessen lieber mit ihren beiden Männern und lernt das französische Savoir-vivre kennen und schätzen.

Unsorgfältige Figurenzeichnung

Die Gründe dafür, dass «Le Divorce» trotz prominenter Vorlage und illustrer Besetzung (neben Watts und Hudson u.a. Glenn Close, Jean-Marc Barr und Stephen Fry) einer der schwächsten Ivory-Filme geworden ist, sind vielfältig. Zum einen ist da die völlig lust- und lieblose Regie, die Bilder hervorbringt, die eines ausgewiesenen Könners wie Ivory schlicht unwürdig sind. Zwar vermeidet es dieser glücklicherweise tunlichtst, in platter Postkartenidylle zu schwelgen, doch was er stattdessen auf die Leinwand bringt, hat kein Flair, keine Fantasie und keine Atmosphäre. Darüber hinaus war Ivory dieses Mal von seiner langjährigen Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala schlecht beraten, die aus Johnsons Vorlage ein völlig überfrachtetes Skript mit zahllosen überflüssigen Nebenfiguren und halbherzig entwickelten Subplots herausdestillierte. Trotz fast zwei Stunden Spielzeit, die sich letztlich als viel zu lang erweisen, bleibt so zu wenig Raum für eine sorgfältige Figurenzeichnung, was bei einem zwar die Komik nicht vergessenden, aber auch die Tragik betonenden Film wie «Le Divorce» nachgerade fatal ist. Kate Hudson und Naomi Watts geben das Schwesternpaar gewiss glaubwürdig und mühen sich auch ansonsten redlich, doch das persönliche Drama ihrer krisengeschüttelten und existenzielle Erfahrungen sammelnden Figuren lässt einen über weite Strecken kalt. Hatte sich Ivory etwa in «Howards End» oder seinem Meisterwerk «The Remains of the Day» noch als verständnisvoller und mitfühlender Meister des subtilen Dramas profiliert und sich bei der Ausgestaltung seiner Hauptcharaktere wohltuend viel Zeit gelassen, schafft er es in seinem neuen Film nicht ansatzweise, seine Protagonistinnen dem Publikum näher zu bringen. Gerade Hudsons Figur bleibt bis zum Schluss gar ziemlich unsympathisch, weshalb ihr Schicksal denn auch nicht weiter interessieren kann.

Unausgeschöpftes Potenzial

Unverzeihlich ist schliesslich, dass Ivory das immense (auch satirische) Potenzial, das sich mit der amerikanisch-französischen Beziehung gerade im Lichte der jüngeren Ereignisse eigentlich offenkundig bieten würde, nur unzureichend ausschöpft. Ein Bezug zur Aktualität fehlt gänzlich, die Spitzen, die ausgetauscht werden, sind meist harmlos, und die leidlich amüsante Konfrontation der Kulturen mit ihren unterschiedlichen Moralvorstellung in Liebesdingen verharrt zumeist im Oberflächlichen. Bisweilen wird Ivorys Frankophilie gar unangenehm aufdringlich und driftet etwa beim unsäglichen Finale auf dem unvermeidlichen Eiffelturm auch noch ins Triviale ab.