Erotischer Reigen in Moll

In der Literaturverfilmung «Young Adam» zeigt sich Ewan McGregor als sexbesessener Tunichtgut von seiner schauspielerisch besten Seite. Auch mit an Bord: Tilda Swinton und Peter Mullan.

 

von Sandro Danilo Spadini

Ekel? Grauen? Gar Bestürzung? Nein, nein, keine Spur davon! Allenfalls Neugier schimmert bei Les (Peter Mullan) und seinem Hilfsarbeiter Joe (Ewan McGregor) durch, als sie die Leiche der jungen Frau aus dem Wasser ziehen. Gefühle zeigen ist nicht die Stärke der Figuren im Thriller-Drama «Young Adam». Pragmatiker sind das, die auch für Romantik und solcherlei nicht viel übrig haben, abgekämpft, desillusioniert und im eigentlichen Sinn lebensmüde sind sie. Denn rau ist das Leben, wenn man auf einem Lastkahn in schottischen Gewässern unterwegs ist, rau und freudlos. Ein paar Bier im Pub, eine Partie Dart und – in Joes Fall – die Frau des Chefs und noch eine Reihe weiterer Damen von fragwürdiger Ehre vernaschen – das sind die kleinen Abwechslungen, die der anstrengende Alltag für den hart arbeitenden Mann bereithält. Doch selbst der Sex, der in diesem Film gewagt hüllenlos und in Hülle und Fülle dargeboten wird, lässt weniger an Lust und Leidenschaft als vielmehr an Kampf und Krampf denken. «Trink aus. Wir haben noch ein Geschäft zu erledigen»: Mit derlei Worten wird hier schon mal das Gegenüber zum Verrichten der schäbig schnellen Nummer in einer schummrigen Seitengasse aufgefordert. Rau und freudlos ist also auch der Sex, derart freudlos, dass man sich bisweilen fragt, warum die Frauen überhaupt erst die Mühe des Ehebruchs auf sich nehmen. Doch vermutlich ist es ihnen schlicht egal, wer da an ihnen sein Geschäft verrichtet. So egal, wie Les und Joe die junge Frau aus dem Wasser ist. Scheinbar wenigstens.

Atmosphärisch dicht

Nein, ein Sympathieträger lässt sich in «Young Adam» nicht so leicht ausmachen; die alles umschliessende Tristesse und Trostlosigkeit ist derweil mit Händen zu greifen. Reizlos ist das Ganze deshalb aber mitnichten. Ein richtig saftiger Leckerbissen wird etwa auf visueller Ebene gereicht: Die Bilder, die Regisseur David MacKenzie für seine vergleichsweise werkgetreue und dem Geist der Vorlage gerecht werdende Adaption des 1957 erschienenen Romans des Schotten Alexander Trocchi gefunden und kreiert hat, schaffen im Zusammenwirken mit dem Soundtrack von Ober-Talking-Head David Byrne nicht nur eine düstere, sondern auch ungemein dichte Atmosphäre. Respekt nötigt überdies die ideale – fast schon unspannend ideale – Besetzung der vier Hauptfiguren sowie die Leistung der entsprechenden schauspielernden Fraktion ab. Mit mutigem Körpereinsatz gehen dabei Ewan McGregor als sexbesessener Tunichtgut mit literarischen Ambitionen und die beiden weiblichen Protagonistinnen Tilda Swinton und Emily Mortimer zu Werke. Dass McGregors in der US-Version sehr zu dessen Ärger herausgeschnittener Auftritt im Adamskostüm in irgendeiner Form auf den abwesenden Namengeber des Film hindeutet, kann aber ausgeschlossen werden – wenngleich die Bedeutung des Filmtitels – darüber haben schon klügere Köpfe erfolglos gebrütet – hier spekulativ bleiben muss. Ein Adam kommt also nicht vor, dafür aber noch ein Peter Mullan, der sich einmal mehr von seiner kernigen Seite zeigt. Anlass zu leiser Kritik liefert in puncto Besetzung einzig der Dialekt-Mischmasch, woran aber wohl nur ausgesprochen anglophile Zeitgenossen Anstoss nehmen werden. Und gesprochen wird hier ohnehin nicht allzu viel, hat doch die Sprachlosigkeit der Figuren einen wesentlichen Anteil an der allgegenwärtig beklemmenden Stimmung.

Nur leicht getrübtes Bild

Frei von jeglichem Mangel ist «Young Adam» freilich nicht. So gebricht es der Geschichte insbesondere in der zweiten Hälfte, wenn das Geschehen mit den ständigen Kopulationsszenen etwas allzu repetitive Züge annimmt, mitunter ein wenig an Spannung. Von dem recht fragwürdigen Frauenbild, das entworfen wird, ganz zu schweigen, fällt zudem die Zeichnung der Figuren insgesamt trotz gegenteiliger Bemühungen unbefriedigend aus, sodass diese in psychologischer Hinsicht letztlich bessere Strichmännchen bleiben. Das insgesamt positive Gesamtbild vermögen solch kleinere und mittelgrosse Unstimmigkeiten aber nur in Ansätzen zu trüben. Und dass die Teilnahmslosigkeit und die Sprachlosigkeit der Figuren auf den Betrachter übergreifen, ist höchst unwahrscheinlich. Denn für Diskussionsstoff sollte ob der einigermassen vertrackten Züge der Handlung schliesslich reichlich gesorgt sein.