von Sandro Danilo Spadini
«Das ist Constantine. John Constantine, Arschloch!» Mit solcherlei Schnoddrigkeit stellt sich unser von Keanu Reeves verkörperter Titelheld beim routinemässigen Exorzismus dem auszutreibenden
Dämon vor. Constantine ist ein einsilbiger, kettenrauchender und höchst zynischer Zeitgenosse, dem das ganze Brimborium, mit dem seine Tätigkeit üblicherweise einherzugehen pflegt, eher suspekt
ist. Diesem Mann braucht man nichts vorzumachen wollen, den beeindruckt eh nichts mehr. Dämonen? Engel? Satan höchstpersönlich? Na und wenn schon. Nicht nur, dass in seiner Lunge ein
Krebsgeschwür wuchert, das seinem irdischen Dasein bald ein Ende bereiten wird, nein, Herr Constantine war sogar schon mal tot und im Zuge dieses Zustands auch bereits auf einer Stippvisite in
der Hölle. Aus dieser ist er aber wiedergekehrt, um auf Erden das Gleichgewicht von Gut und Böse zu gewährleisten, auf das sich die beiden prominenten Exponenten dieser Pole verständigt haben.
Diesmal aber, da er auch noch der Polizistin Angela (Rachel Weisz) bei der Aufklärung des Selbstmords ihrer Schwester helfen soll, scheint irgendwas im Busch zu sein. Was genau sich in selbigem
befinden soll, erschliesst sich einem freilich erst relativ spät und auf nicht allzu schlüssige Weise. Doch keine Sorge: «Constantine» hat andere Qualitäten und bessere Freunde als die störrische Logik und die abwesende Stringenz.
Krude Mischung
Die krude Kreuzung aus Fantasy, Okkulthorror, Actionthriller und Film noir verdankt seine Kinoexistenz der Comic-Reihe «Hellblazer»; mit der Regie wurde in Francis Lawrence wieder mal ein
Jungspund betraut, der sein Handwerk bei der Herstellung von Musik-Videoclips gelernt hat. Solchen Menschen ist nun ja oft eine gewisse Übermütigkeit und Masslosigkeit gemein, wenn es um Fragen
des Schnitts, des Tempos und der Spezialeffekte geht. Stil ist diesen Regie-Azubis meist alles, rein funktionales Inszenieren deren Sache aber weniger. Lawrence bildet in dieser Beziehung eine
kleine, insgesamt knapp löbliche Ausnahme, zumal er auch mal Fünfe gerade sein lässt, die Comic-Herkunft seines Stoffs zwar nicht verleugnet, sich traditionellen Kinogepflogenheiten aber auch
nicht verschliesst. Das Manko einer kaum zusammenhängenden Story wird von Lawrence indes nicht bloss mit optischer Opulenz, trefflicher Tricktechnik und ästhetischer Action übertüncht, es wird
vielmehr gar wettgemacht durch den klugen, perfekt getimten und erfrischenden Einsatz von Witz und Ironie. Endlich also ein Okkultfilm, der nicht mit prätentiösem Getue nervt und der in puncto
Ernsthaftigkeit – aber auch in puncto Klamauk – Mass zu halten versteht. So mag ja die religiöse Motivik nicht übermässig raffiniert entwickelt sein, doch reicht sie für eine
Mainstream-Kinoproduktion ebenso aus wie die theologisch-philosophischen Ansätze, die für den Fachmann wohl trivial, für den Laien im Rahmen des wenig denkintensiven Actionfilm-Besuchs aber
immerhin bedenkenswert sein mögen. Und immer, wenn der Mumpitz überhand zu nehmen droht, kommt wieder ein Augenzwinkern, und alles ist nur noch halb so wild.
Kurzweiliges Kino
Mit Zigarette im Mundwinkel und kernigen Sprüchen auf den Lippen wandelt inmitten dieses geordneten Chaos Hauptdarsteller Keanu Reeves auf den Spuren eines klassischen Noir-Helden. So etwas kann
natürlich nur gut gehen, wenn wiederum reichlich Ironie im Spiel ist und die Grenze zur Selbstparodie stets in Sichtweite ist. Dass man die Rolle des John Constantine einem mimisch nicht allzu
beschlagenen Star übertragen hat, erweist sich so letztlich als Segen: Nicht auszuschliessen, dass ein schwergewichtigerer Darsteller unserem gebrochenen Superhelden eine deplatzierte, dem
launigen Grundton des Films zuwider laufende Tiefe verliehen hätte. Anders verhält es sich derweil mit der weiblichen Protagonistin, der von der wunderbaren Rachel Weisz als einziger Figur so
etwas wie eine Seele gegeben wird. Freilich: Ihre Angela ist auch die praktisch einzige rein menschliche Figur des Films, der im Übrigen auch von seinen Nebendarstellern lebt: so etwa von Djimon
Hounsou als mysteriösem Vermittler, Tilda Swinton als sarkastischem Erzengel Gabriel und Peter Stromare als jovialem Luzifer. Wie im Flug und bisweilen auch im Rausch vergehen so zwei Stunden,
nach welchen man sich sogar mit der Idee eines Sequels anfreunden kann. Zu Kultstatus reicht es trotz Originalität für «Constantine» zwar nicht ganz – aber viel hat nicht gefehlt.