von Sandro Danilo Spadini
Es ist natürlich eine riskante Steilvorlage auf den kritischen Zeitgenossen, wenn Regisseur Cameron Crowe gleich in der Ouvertüre zu seiner romantischen Komödie «Elizabethtown» deren Protagonisten den Unterschied
zwischen einem Fehlschlag und einem Fiasko erklären lässt. So etwas kann und wird auf einen zurückfallen, es fordert den hämischen Kommentar mitsamt eigener Definition dieses Unterschieds nämlich
förmlich heraus. So liesse sich etwa pointiert formulieren, bei «Vanilla Sky», Crowes letztem Film, müsse man von einem Fehlschlag sprechen, derweil im Falle von «Elizabethtown» ein lupenreines
Fiasko vorliege. Liest sich nett und schreibt sich quasi von selbst. Einziger Haken: stimmt nicht. Zumal was die Qualität des letzteren Kandidaten angeht. Ein Chaos von zu vielen schlecht
ineinander verflochtenen Handlungssträngen ist «Elizabethtown» vielleicht. Eine etwas holprige Angelegenheit mit stockendem Erzählfluss, einem blassen Held und einer leicht nervigen Heldin auch.
Eine zu resolut auf Stimmung machende Party, ein halb garer Screwball-Comedy-Verschnitt, ein tadelnswerter Remix von Zach Braffs meisterhaftem Erstling «Garden State» – all das ist diese
homöopathische Arznei gegen die Novemberdepression ebenfalls. Aber ein Fiasko? Nein, nein, dafür ist dieser Film viel zu herzlich, zu aufrichtig, zu liebenswürdig.
Willkommen in Kentucky
Den Kurs der Prozac-Aktie wird der sechste Regiestreich des professionellen Optimisten und unverbesserlichen Romantikers Crowe indes kaum nachhaltig vergiften, fällt er doch im Vergleich zu
dessen rockigeren Sachen wie «Jerry Maguire» oder «Almost Famous» letztlich schon deutlich ab. Crowes Handschrift jedoch ist unverkennbar: Sein Alter Ego gibt diesmal Orlando «Legolas» Bloom, der
den durch Verschulden eines 972-Millionen-Dollar-Verlusts jäh vom Yuppie-Olymp gestürzten Sportschuh-Designer Drew spielt. Eigentlich würde sich Drew darob ja gerne umbringen, doch just als er
zur düsteren Tat schreiten will, rumort das Handy. Am anderen Ende hypert die hysterische Schwester (süss: Judy Greer), und die wartet mit schmerzvoller Kunde auf: Der Vater ist soeben gestorben,
Drew muss nach Elizabethtown, Kentucky, reisen, sich dort, wo Cameron Crowe seinen eigenen Vater beerdigt hat, auf Geheiss der Mutter (lau: Susan Sarandon) um Freunde und Verwandte sowie die
Einäscherung des Erzeugers kümmern. Also besteigt unser missmutiger Held den nächsten Flieger und trifft in luftigen Höhen und zu später Stunde erstmals auf unsere frohgemute Heldin Claire
(Kirsten Dunst). In der ihm mehr oder minder fremden Heimatstadt seines Vaters wird er derweil von einer Horde gutmütiger Spinner erwartet, die ihn mit etwas gar offenen Armen empfangen. Drews
Laune hebt sich aber erst, als er Claire wiedertrifft – womit dann endlich der romantische Teil dieser in der Anfangsviertelstunde mit hoher, alsdann mit ordentlicher Gagdichte auftrumpfenden
Komödie einsetzen kann.
Musik hängt in der Luft
Seinen – sehr amerikanischen – Charme bezieht «Elizabethtown» primär aus der vor Lokalkolorit strotzenden und sich zu einer fantasievollen Liebeserklärungen mausernden Schilderung des sympathisch
provinziellen Schauplatzes. Crowes Kentucky ist dicht bevölkert von kauzigen, schrulligen und auch ein paar pseudoskurrilen Figuren, denen etwa Bruce McGill oder Paul Schneider ihr markantes
Gesicht leihen. Knackige Kurzauftritte absolvieren überdies Alec Baldwin als Drews Boss und die kürzlich vom «Esquire Magazine» mit einer gewissen Berechtigung zur «sexiest woman alive» gewählte
Jessica Biel. Vor allem Orlando Bloom fehlt es demgegenüber schlicht an Präsenz, um den immer wieder mal aufkommenden Verdacht der Konzeptlosigkeit zu entkräften und zu überspielen. Dass es sich
Hardcore-Musikfan Crowe abermals nicht nehmen lässt, abseits des vorgespurten Kurses wie ein Zwölfjähriger mit prall gefülltem iPod freudig auf seinem Steckenpferd zu reiten, ist dabei auch nicht
so hilfreich; manchmal möchte man gar meinen, Crowe drehe nur Filme, um einem breiten Publikum seine von einem durchaus streitbaren Musikgeschmack zeugenden Lieblingssongs vorzuspielen. Deren
Auftrag ist indes klar: gute Laune verbreiten und die ehrlich gemeinte Message rüberbringen. Leicht modifiziert liesse sich diese in etwa auf folgenden Nenner bringen: Sag Ja zum Leben, Nein zu
Trübsal – und, den Steilpass diesmal aufnehmend, Jein zu diesem Film.