Trubel unterm Weihnachtsbaum

Die überambitionierte weihnachtliche Tragikomödie «The Family Stone» protzt zwar mit vielen Stars und Sternchen, bietet aber kaum originelle Figuren und noch weniger Sympathieträger.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wenn der Schnee leise vom versmogten Himmel runterrieselt und in den Kaufhäusern die Fäuste fliegen, wenn einem allerorten Besinnlichkeit reingeprügelt wird und man sein täglich Prozac mit harten Alkoholika einzunehmen beginnt, dann steht wieder Weihnachten vor der Tür. Es ist dies die Zeit der öligen Hollywood-Filme, die einem noch hurtig was Weises und Menschelndes mit auf die Schlittenfahrt ins Delirium geben wollen, auf dass der Dollar auch schön in den produktionshauseigenen Weihnachtsstrumpf rollt. Milde und Nachsicht schaufeln sich mit Hilfe mannigfacher Manipulationskünste dann auch den Weg frei in die noch härtesten Herzen der mit kritischen Worten ihre Graubrotstullen verdienenden Herrschaften. Man ist also grosszügig zu Weihnachten, und darauf vertraut Hollywood. Anders ist es denn auch nicht zu fassen, dass einem unter grossem Trara so was Unausgegorenes wie die Tragikomödie «The Family Stone» aufgetischt wird. Doch wer jetzt mit Grossmut und zugedrückten Augen rechnet, der hat sich gründlich geschnitten. Denn mit diesem verlogenen und abgeschmackten Machwerk haben die resolut zur Verantwortung zu Ziehenden, Weihnachten hin oder her, den Bogen überspannt.

Unschöne Bescherung

Hauptschuldiger im Prozess um die stonesche Familie ist ein gewisser Thomas Bezucha, der sowohl für die unsensible Regie als auch für das unfertige Skript verantwortlich zeichnet. Was er zu erzählen hat, ist schon einmal zu oft und schon oft besser erzählt worden und geht glatt als verschneite Version von «Meet the Parents» durch: Besagte (Gross-)Familie Stone, bestehend aus den Eltern und fünf Sprösslingen samt Anhang, trifft im heimatlichen New England zur grossen Jahresendsause zusammen. Sohnemann Everett (Dermont Mulroney) bringt zu diesem Anlass seine neue Flamme, die hypernde, powernde und unerklärlicherweise doch verklemmte New Yorker Karrierefrau Meredith (Sarah Jessica Parker), mit nach Hause. Die jüngste Schwester (Rachel McAdams) hasst sie, die burschikose Mutter (Diane Keaton) disst sie ohne Ende, der dröge Vater (Craig T. Nelson) duldet sie allenfalls, der, aber ja, gestonete Bruder (Luke Wilson) stellt ihr nach, und der taube Schätzchen-Bruder (Tyrone Giordano) rümpft wie der Rest der schrecklich selbstgerechten Familie die Nase. Fettnäpfchen stehen überall, und Meredith wird mit einer meist eher beklemmende als lustige Effekte erzielenden Unbarmherzigkeit von Regisseur Bezucha in jedes einzelne plump hineinmanövriert. Das führt dazu, dass die eigentlich den ach so liberalen und ach so schrulligen Stones zugedachten Sympathien schnell auf die arme Meredith übergehen. Dies umso mehr, als sich deren eiligst herbeigerufenes Schwesterherz (Claire Danes) auch noch an ihren Kerl ranmacht und die formstarke «Sex and the City»-Königsbiene Sarah Jessica Parker nur zirka zwei Minuten braucht, um – auch der wie noch nie nervenden Diane Keaton – zu zeigen, wer hier den Hosenanzug anhat. Nicht nur einmal wünscht man sich deshalb, Meredith würde mit einem beherzten «fuck you» dieser Mischpoke den Rücken zuwenden. Doch Obszönes darf natürlich nicht sein. Soll ja irgendwie ein Familienfilm oder so sein. Zwar wird in diesem offenherzig über Sex, Drogenkonsum und ähnlich Kühnes geplaudert, gezeigt werden kann solcherlei, huch, aber nicht – was dann wiederum so verwegen ist wie alkoholfreies Bier oder absatzlose Manolo-Blahnik-Schuhe. Symptomatisch zum Ausdruck kommt diese von Falschheit und Überambitioniertheit genährte Halbherzigkeit aber auch, wenn Figuren zu Funktionsträgern degradiert werden, wenn etwa der Quotenbehinderte und der Quotenschwarze auch noch als Quotenschwule herhalten müssen. Praktisch so was. Und ökonomisch. Und billig.

Nervig und platt

Ohne Gespür für die Dosierung von Tragik und Komik, ohne Takt- und Rhythmusgefühl wird nach harzigem Auftakt zwar die eine oder andere Leiche aus dem Familienkeller geholt, damit es auch schön rappelt im Karton und der Christbaum Feuer fängt. Wer aber einen solch figurenzentrierten und dialoglastigen Film dreht, sollte besser ein paar Sympathieträger und einige gescheite Textzeilen in petto haben. So aber liegt dieses langatmige Rührstück so schwer im Magen wie eine unfachmännisch zubereitete Weihnachtsgans, und der klebrig-süsse Nachtisch, wenn in besoffenem Übermut der Glaubwürdigkeit endgültig Ade gesagt wird, schafft da auch keine Abhilfe. Was bleibt, ist ein Film, der auf die Nerven geht, wenn er ans Herz gehen will, der platt ist, wenn er tiefgründig sein will, der berechnend ist, wenn er warmherzig sein will, der überhaupt vieles sein will und letztlich nur eines ist: so unwirklich wie der Weihnachtsmann.