Und unselig seien die Toten

Mit «The Grudge» hat der japanische Regisseur Takashi Shimizu seinen eigenen Horrorhit aus dem Jahre 2003 für den westlichen Markt neu verfilmt und sich damit keinen Gefallen getan.

 

von Sandro Danilo Spadini

Dass nicht amerikanische Regisseure eigene Hits für den US-Markt nochmals aufwärmen, ist so ungewöhnlich nicht und hat vielmehr gar eine gewisse Tradition. Das filmgeschichtlich fraglos relevanteste Remake dieser Art stammt denn auch von einem kleinen dicken Engländer namens Alfred Hitchcock, der 1956 seinen 22 Jahre zuvor noch in der Heimat gedrehten Spionagefilmklassiker «The Man Who Knew Too Much» mit neuen Schauplätzen und Doris Day garnierte und dergestalt dem amerikanischen Publikum servierte. Dass derlei Anstrengungen auch in der kinematografischen Neuzeit noch einigermassen Erbauliches zeitigen können, hat uns dann 1995 Robert Rodriguez mit seiner «El Mariachi»-Neuauflage «Desperado» vor Augen geführt. Nun steht der mexikanischstämmige Krawallbruder mit einem derartigen Erfolgserlebnis jedoch mutterseelenallein auf weiter zeitgenössischer Kino-Flur – man denke da an die beiden Niederländer George Sluizer («The Vanishing») und Dick Maas («Down») oder den Dänen Ole Bornedal («Nightwatch»), deren Neuaufgüsse aus den Neunzigern sich Hollywood getrost hätte sparen können.

Rastlose Seelen

Mit Takashi Shimizu («Ju-On: The Grudge») und Hideo Nakata («The Ring» ) schicken sich nun gleich zwei Horrormeister aus Nippon an, uns mit verwestlichten Versionen ihrer eigenen in Serie gegangenen Kultfilme zu beglücken. Derweil aber Aussagen über Nakatas Errungenschaften hinsichtlich des mit Spannung erwarteten zweiten Teils der «Ring»-Sage noch im Spekulativen verharren müssen, lässt sich über Shimizus Fehlleistungen schon jetzt das Maul zerreissen. In den USA bereits im letzten Herbst mit beträchtlichem Erfolg gestartet und mit 110 Millionen eingespielten Dollars zum veritablen Kassenschlager avanciert, macht sein unter dem verkürzten Titel «The Grudge» inszeniertes Remake nun auch die hiesigen Leinwände unsicher; und gewiss ist, dass die Kinowelt auch ohne diese leidlich gruselige Totenauferweckung nicht untergegangen wäre. Gefilmt in Tokio, mit der japanischen Original-Crew hinter und mehrheitlich US-Mimen vor der Kamera, versucht Shimizu die in der heimatlichen Folklore wurzelnde Geschichte um ein gespenstisches Haus zu erzählen, das von rastlosen Seelen bewohnt wird, die den jeweiligen Besuchern höchst ungesundes Ungemach zu verursachen im Stande sind. Am eigenen wohl geformten Leib erfährt dies etwa die – allerdings mit dem Schrecken davonkommende – amerikanische Austauschstudentin Karen («Buffy»-Babe Sarah Michelle Gellar), die sich im Hause der unseligen Toten als Pflegerin verdingt hat; demgegenüber noch weit unglimpflicher verläuft der Besuch im Spukhäusle für die zahllosen anderen Pechvögel, die in diesem ihr letztes Stündlein schlagen hören.

Kein stimmiges Ganzes

Wo dies alles hinführen soll, dürfte freilich wohl nicht einmal Shimizu und schon gar nicht Drehbuchautor Stephen Susco ganz klar sein. Erzählt wird das Ganze nichtlinear, und mit der dargestellten Zeit wechselt meist auch das agierende Personal. Um seine eigentliche Hauptfigur Karen kann sich Shimizu so kaum kümmern, was dem für einen Streifen dieses Genres unerlässlichen Aufbau eines Identifikationspotenzials natürlich nur wenig zuträglich sein kann. Noch unvorteilhafter wirkt sich indes aus, dass sich aufgrund der unnötig komplizierten narrativen Struktur und der ständigen Auf- und Abblenden kein Fluss, keine Sogwirkung einstellen kann. Auch rein atmosphärisch bleibt «The Grudge» deshalb vieles schuldig. Kompensation für dieses Versäumnis vermögen die weit gehend auf Blutiges und computeranimierte Tricks verzichtenden, scheinbar zusammenhanglos aufeinander abfolgenden Schockeffekte nur notdürftig zu leisten. Fast ausschliesslich über diese soll das nackte Grauen transportiert werden, zeigt sich doch, dass Shimizu die Kunst der Andeutungen und Auslassungen nur unzureichend beherrscht. Leerstellen sind einzig im sinnfreien Skript zu finden, das lediglich andeutet, dass hier eine Geschichte erzählt wird. Wenn im Finale alles noch wunderlicher und widersinniger wird, ist denn auch offenkundig, dass Shimizu beim Versuch, japanische Mythologie und amerikanisches Mainstream-Kino miteinander zu verbinden, trotz mancher schauerlicher Einzelszene klar gescheitert ist. Denn ein stimmiges, Suspense erzeugendes Ganzes ist ihm mit «The Grudge» mitnichten gelungen. Vielmehr widerfährt seinem Film letztlich das Schlimmste, was einem Schauerstück widerfahren kann: Langweile.