von Sandro Danilo Spadini
Michael Bay ist ein Mann, der polarisiert. Strikt auf Gewinnmaximierung sinnenden Produzenten wie Jerry Bruckheimer, dem Käufer seiner Künstlerseele, leuchten freudig die Dollarzeichen in den
Augen, wenn sie an ihn denken; Hollywoods cinephil angehauchte Zeitgenossen hingegen würden ihn am liebsten vors internationale Filmverbrecher-Tribunal stellen oder gleich ohne Verhandlung in die
Hölle schicken, hat er doch nebst passablen Actionstreifen wie «The Rock» mit «Armageddon» und «Pearl Harbor» auch zwei der grässlichsten Kinogräueltaten der jüngeren Zeit zu verantworten. Zwei
Megaproduktionen also, in denen er unter pathetischem Gejohle und Gebrüll derart ungelenk den Holzhammer schwang und so verschwenderisch mit stumpfsinnigem Hurrapatriotismus um sich warf, dass
ihm der gerne rundumschlagende Sean Penn gar mal ein Krebsgeschwür an den Hintern wünschte. Nun aber hat Bay für einmal einen Film ohne Bruckheimer gedreht, und – siehe da – herausgekommen ist
mit dem Sciencefiction-Thriller «The Island» eine
für Freund wie Feind wohl durchaus akzeptable XXL-Mainstreamkiste.
Totale Überwachung
Freilich wird in «The Island» erstens nicht besonders viel und zweitens – obwohl der Film in (nicht allzu ferner) Zukunft spielt – nichts wirklich Neues erzählt. In der Exposition Versatzstücke
aus Terry Gilliams «Twelve Monkeys», Steven Spielbergs «Minority Report» und Michael Winterbottoms «Code 46» aufnehmend, entwirft Bay in seinem neusten Spektakel ein pessimistisches
futuristisches Szenario, das er in ein wahrlich atemberaubendes Produktionsdesign und ein natürlich adrenalinüberschüssiges Actionfeuerwerk taucht – und letzten Endes in einer gewohnt
überdimensionierten Tricktechnik- und Materialschlacht um ein Haar ertränkt. «The Island» besteht aus einem gemächlicheren, Augen und Hirnzellen stimulierenden ersten Drittel, wo unter wuchtigem
Requisiten- und Farbenspiel bisweilen gar etwas Gesellschaftskritik durchschimmert, und zwei Dritteln, wo einfach nur noch die Bay-Expresspost abgeht. Schauplatz ist zunächst eine sterile
unterirdische Wohneinheit, in der die scheinbar letzten Überlebenden einer verseuchten Welt unter Totalüberwachung de facto gefangen gehalten werden. Ruhig gestellt werden diese «Survivors» mit
der Aussicht auf ein Leben in Unabhängigkeit, das wenigen vom Losglück begünstigten Glücklichen auf einer unversehrt paradiesischen Insel winkt. Hinterfragt wird hier kaum etwas, von Gott hat
noch niemand gehört, und was Liebe ist, weiss auch keiner. Leben kommt in die dergestalt von kollektiver Apathie und verschreckter Obrigkeitshörigkeit infizierte Bude erst, als zwei Insassen
(Ewan McGregor und Scarlett Johansson) ausscheren und endlich einer widerlichen Verschwörung auf die Spur kommen – auf dass in der vom sinistren Dr. Merrick (Sean Bean) konzipierten und
kontrollierten Lebensgemeinschaft nichts mehr so sein wird, wie es (vermeintlich) war.
Gute Unterhaltung
Und nun, da eine spektakuläre Plot-Wendung vollzogen wird, beginnt ein völlig neuer Film. Die Pace wird potenziert, Action-Standards werden pulverisiert, und Bay ist wieder ganz in seinem
Element, schmeisst Trockeneisanlage und Windmaschine an, dreht den Ton auf und setzt mittels Effektlawine eine Reizüberflutung frei. Jetzt heisst es: Gurt an, Helm auf, Hirn aus. Michael Bay ist
schliesslich nicht zum Spass hier. Das Material, das zuvor so akkurat aufgebaut wurde, wird nun zerhackt, zerschmettert, zertrümmert. Wenn nicht alles so ohrenbetäubend laut wäre, würde man
wahrscheinlich Bays Herz vor Aufregung klopfen hören – oder vielleicht auch jenes seiner beiden doch recht blutleer bleibenden Helden. Packend ist das Ganze indes allemal, und selbst beim Skript
haben sich die dafür verantwortlich Zeichnenden was überlegt. Dass mit McGregor, Johansson, Bean sowie Djimon Hounsou und dem mal wieder fachmännisch dem humoristischen Element Sorge tragenden
Steve Buscemi ausnahmslos sachkundige Mimen am Werk, am Steuer und am Abzug sind, kommt «The Island» aber auch gelegen. Ebenso begrüssenswert ist der Verzicht auf pathostriefendes Gelaber und
streicherintensives Gedudel auf der Tonspur, sodass man sich am Ende dann auch so fühlt, wie man sich nach einer solchen Produktion fühlen sollte: gut unterhalten.