von Sandro Danilo Spadini
Ganz klar: Er ist einer unserer Regie-Lieblinge. Im kreativen Sturm, mit naivem Charme und kindlicher Spielfreude hat er unsere Herzen erobert, dieser Wes Anderson. Was haben wir geschmunzelt
über die Eskapaden in seinem Gesellenstück «Bottle Rocket»! Was haben wir gestaunt ob der im Stakkato vorgebrachten Geistesblitze seines zweiten mit aller Liebe dieser Welt grossgezogenen
Kinobabys «Rushmore»! Was haben wir ihm zugejubelt, als die Lichter wieder angingen und wir soeben von der schieren Genialität und Originalität seiner kuriosen Meisterprüfung «The Royal
Tenenbaums» fast erdrückt worden waren! Und was haben wir uns gefreut, als wir von «The Life Aquatic with Steve Zissou» erfahren haben, dem neusten Komödienstreich aus dem Wunderhäuschen Anderson, in dem sich sein
Stammpersonal um Bill Murray und Owen Wilson mit Grössen wie Cate Blanchett und Willem Dafoe zum bonbonbunten Stelldichein trifft und in ozeanische Tiefen taucht! Ja, gefreut haben wir uns,
entgegengefiebert haben wir diesem Kinoereignis, höchste Erwartungen haben wir an diese potenziell und tendenziell irren Tiefseetaucher geknüpft. Und jetzt? Ein bisschen ernüchtert sind wir. Ein
bisschen sehr sogar.
Zu viel Firlefanz
Gewiss: Es ist nicht alles schlecht an «The Life Aquatic». Im Gegenteil: Es ist sogar vieles sehr gut und, aber ja doch, originell. Leider ist aber auch allzu vieles allzu bekannt und eine
Weiterentwicklung bei Anderson folglich kaum auszumachen. Natürlich hat sich diese Tendenz bereits bei den «Tenenbaums» abgezeichnet, doch zündeten dort Anderson und seine Startruppe ein
Feuerwerk sondergleichen ab, sodass etwelches kritisches Aufbegehren zwangsläufig unter dem rosaroten Teppich landen musste. Nun aber, in der Geschichte um den abgetakelten
Jacques-Cousteau-Verschnitt Steve Zissou (Murray), der seinen durch den Tod seines Partners motivierten turbulenten Rachefeldzug gegen einen Hai auf Zelluloid bannen will, versagt Andersons
Verschleierungstaktik. Denn schon nach einer Stunde hat der mittlerweile 35-jährige Texaner sein Pulver verschossen, und sein illuster bemanntes Traumschiff schrammt in der Folge nur knapp am
berüchtigten Eisberg vorbei. Anstatt auf ein taugliches Skript zu setzen, ergeht sich Anderson so exzessiv in formverliebter Spielerei, dass «The Life Aquatic» letztlich zur kokett skurrilen
Stilübung verkommt, die nichts zu sagen und viel zu zeigen hat. Was ihn einst stark gemacht hat, wird ihm hier zur Schwäche. Formaler Firlefanz und trashiger Tand sind ja okay, aber irgendwann
ist auch mal gut. Anderson muss einem nun wirklich nicht permanent unter die Nase reiben, welch kauziges Wunderkind (mit Betonung auf Kind) er ist. Vielmehr sollte er bald einmal lernen, dass ihm
kein Zacken aus der Krone bricht, wenn er zwischendurch auch mal den einfachen Pass spielt, wie der Fussballer sagt. Aber nein, solches ist Herr Anderson leider fremd, und stattdessen schreit es
aus jeder einzelnen Einstellung und jeder verdammten Dialogzeile: «Seht her, wie genial ich bin!» Ist ja gut, wir haben es gesehen, aber jetzt geh mal brav in die Heia und versuche beim nächsten
Mal deinen Spieltrieb zu zähmen!
Zu hohe Messlatte
Gleichwohl sollte man mit «The Life Aquatic» nicht gar so hart ins Gericht gehen. Das Tückische an der Sache ist halt, dass unser Lieblingsschüler Anderson die Messlatte mit seinen vorherigen
Topleistungen enorm hoch gesetzt hat und sie nun so ungelenk runterreisst wie weiland der grosse Sergej Bubka beim glücklosen Comebackversuch. Verlass ist immerhin auf seine namhaften Vorturner:
Bill Murray präsentiert sich in Normalform, Owen Wilson reisst seine üblichen Zoten, Anjelica Houston agiert gefällig, Jeff Goldblum taucht mit Stil aus der Versenkung auf, über Willem Dafoe
freut man sich eh immer, und die grossartige, grandiose, göttliche Cate Blanchett zeigt sich mangels schlechter Seiten wie immer von deren bester. Aus der Patsche helfen können indes auch sie dem
gestrauchelten Tausendsassa nur bedingt. Denn in «The Life Aquatic» ist wohl vieles dabei, das ganz toll ist, aber nun mal noch mehr, das nicht ganz so toll ist, wie es uns der von seinem
künstlerischen Wagemut so offenkundig berauschte Anderson gerne glauben machen möchte.