von Sandro Danilo Spadini
Als man einst etwas verlegen ob der schlüpfrigen Eskapaden Apfelkuchen-fixierter Jugendlicher kicherte, wäre man wohl selbst im feuchtesten cineastischen Traum nicht darauf gekommen, dass aus
immerhin einem der beiden hinter diesem Unfug steckenden Krawallbrüder einmal ein Garant für komödiantische Leckerbissen würde. Noch im Verbund mit Bruder Chris hat «American Pie»-Koregisseur
Paul Weitz dann aber die kongeniale Nick-Hornby-Adaption «About a Boy» gedreht, hernach solo die clevere Komödie «In Good Company» und nun die selbst geschriebene und produzierte Satire «American Dreamz». Was diese letzten Arbeiten nebst
pointentechnischer Treffsicherheit auszeichnet, ist ein Gespür für originelle wie goldrichtige Besetzungen. Nun gut, die Idee, Hugh Grant den zynischen Moderator der Musik-Casting-Show «American
Dreamz» spielen zu lassen, evoziert vielleicht nicht das Bild eines mit Archimedes in der Badewanne liegenden und dabei auf das Ei des Kolumbus stossenden Tausendsassas; dass er den Dünkelhaften
wie kein Zweiter zu geben versteht, hat Grant ja just in «About a Boy» demonstriert. Als Clou geht derweil schon durch, den «In Good Company»-Mitarbeiter Dennis Quaid als völlig übergeschnappten
George-W.-Bush-Verschnitt in Szene zu setzen. Und fast genial ist es, einen in der Maske um Jahrzehnte gealterten und nunmehr Dick Cheney nicht unähnlich schauenden Willem Dafoe als
strippenziehenden Präsidentenberater zu besetzen.
Rappelvoller Narrenkäfig
Doch damit ist Weitz’ Narrenkäfig längst nicht voll. Platz hat es da auch noch für Mandy Moore als berechnendes Provinz-Popsternchen mit Luderpotenzial, für Chris Klein als deren herrlich
unbedarften Lover mit zirka einmütiger Irak-Kriegs-Erfahrung oder für Marcia Gay Harden in der kleinen wie feinen Rolle der trägen First Lady. Heimtückische Attacken auf das Zwerchfell werden
freilich nicht nur von diesen arrivierten Mimen gefahren; für Bombenstimmung sorgen gerade auch die arabischstämmigen Darsteller und Figuren, die den politisch gänzlich unkorrekten Subplot
bestreiten: Da wäre der in Afghanistan mit ausbaufähigem Rendement zum Terroristen ausgebildete Broadway-Fan Omer (Sam Golzari), der in den USA schläfrig der Dinge harrt. Ferner seine tumben
Verwandten, die auf geradezu absurde Weise amerikanisiert sind. Und schliesslich Omers bärtige Kontaktleute, die den lieben Naivling zu einer Karriere bei «American Dreamz» zwingen, auf dass er
im Finale den als Gastjuror amtenden Präsidenten mit sich in die Luft sprenge.
Respekt- und hemmungslos
Es ist gewiss nicht die feine Klinge, die Weitz hier führt. Seine Seitenhiebe auf Politik, Gesellschaft, Medien und Showbusiness sowie auf den hier und dort wie dort und hier alles zählenden
Schein werden vielmehr mit der Keule und bisweilen mit dem Holzhammer ausgeteilt; die Figuren sind stereotyp und überzeichnet, die Gags eher niederschwellig und gerne auch mal grenzwertig. Als
Satire im Stile von Sidney Lumets Klassiker «Network» mag «American Dreamz» folglich nur leidlich überzeugen; als respekt-, hemmungs- und kompromisslos alberne Komödie jedoch ist dies eine ganz
grosse Nummer. Kräftig losprusten statt wissend schmunzeln ist denn auch Programm, wenn Weitz und seine musizierenden, intrigierenden oder delirierenden Irren sich mit wagemutigen Ambitionen,
aber ohne vermessene Ansprüche aufmachen, alles und jeden durch den Kakao zu ziehen. Der Stand der Dinge wird dabei natürlich nicht abschliessend bestimmt – auch wenn ein leicht angetrunken
grinsender Zeitgeist auf diesem bunten Sitten-Abziehbild weiss Gott nicht zu übersehen ist. War der globalisierungskritische Vorgänger «In Good Company» ein verdriesslich knurrender Kater, dann
ist«American Dreamz» ein bald braver, bald bitterböser Hund, der laut bellt und feste beisst und sich Genre-untypisch nicht mal im fast schwülstigkeitsfreien Finale versöhnlich zeigt. Paul Weitz’
nächster Film trägt übrigens den schmissigen Titel «Another Bullshit Night in Suck City». Wir sind gespannt.