von Sandro Danilo Spadini
Irgendetwas ist hier anders, irgendetwas ist hier krud, komisch, kurios. Wenn der einzelgängerische Highschool-Absolvent Brendan (Toptalent Joseph Gordon-Levitt, «Mysterious Skin») zu Beginn von
«Brick» in einem Abflussgraben die Leiche seiner
Ex-Freundin Emily (Emilie de Ravin aus «Lost») findet, ist das zwar noch kein ausserordentlicher Kinomoment (man mag an Tim Hunters «River’s Edge» oder David Lynchs «Twin Peaks» denken). Aber es
liegt hier ein Versprechen in der kühlen Morgenluft: das Versprechen, dass dieser Film etwas Besonderes sein könnte. Und wenn dann diese mit kleinem Geld verwirklichte cineastische Vision des
auch für das Drehbuch kreditierten Regieneulings Rian Johnson nach 110 wendungsreichen Minuten in aller Stille schliesst, wird ebenjenes Versprechen auf spielerische, spannende, spassige Weise
eingelöst sein. Mehr noch als das: «Brick» ist nicht nur anders, «Brick» ist auch besser als die meisten Vertreter des Highschoolfilm-Genres. Denn Regie wie auch Drehbuch variieren und verfremden
die Sitten dieses Genres so weit, dass eine scheinbar abstruse und bestimmt einmalige Verschmelzung stattfindet und ein eigenartiger wie origineller Hybrid entsteht: ein an spärlichen,
spartanischen Schauplätze gedrehtes Teenagerdrama, in welchem die Protagonisten sprechen wie die Figuren aus den Hard-boiled-Romanen eines Dashiell Hammett oder Raymond Chandler. Oder anders
gesagt: ein mit den arttypischen extremen Kamerawinkeln inszenierter Film noir, der sich unter fast vollständiger Abwesenheit von Ordnungshütern und Erwachsenen generell in der Halbwelt einer
Highschool abspielt.
Gebrochener Held
Bevölkert ist diese Halbwelt vornehmlich von kriminellen Aktivitäten frönenden Springinsfelden, die solch seltsame Namen tragen wie The Pin, Tug oder Dode. Und wo die Fäuste fliegen, dürfen
natürlich auch die fatalen Frauen nicht fehlen. Den zwielichtigsten Eindruck hinterlässt in dieser Hinsicht die rehäugige Laura (Nora Zehetner), die nebst dem allwissenden Brain (Matt O’Leary)
die einzige Verbündete Brendans sein könnte. Unser gebrochener Held hat sich nämlich in den Wuschelkopf gesetzt, den Mörder seines gefallenen Engels zur Strecke zu bringen – koste es, was es
wolle. Zunächst gilt es für den Sirup-Spade oder Mini-Marlowe dabei freilich, die kryptische Botschaft zu entschlüsseln, die ihm Emily zwei Tage vor ihrem Tod telefonisch zukommen liess. Dass es
sich beim Pin (Lukas Haas) um einen sagenumwitterten, wenn auch erst 26-jährigen Drogendealer handelt, ist dank Brain schnell klar. Wie sich der Rest des Puzzles zusammensetzen lässt, zeigt sich
derweil erst nach ein paar blutigen Nasen und einigen konspirativen Treffen mit dem Pin bei Cornflakes und Bio-Apfelsaft in Mamas Küche – wobei die Platzierung der letzten Einzelteile bis zum
Schluss offen bleibt.
Neugierige Kamera
Was an Johnsons kohärentem und konsistentem Debüt nebst dem Slang-behafteten Stakkato aus kernigen Hauptsätzen und der schnippischen Schlagfertigkeit hervorsticht, ist seine ungeheure
inszenatorische Intelligenz. Die ein Faible für wässrige Farben und geometrische Formen verratenden Bilder sind trotz ihrer Schlichtheit von einer bisweilen berückenden Kraft, während die
sprunghafte und experimentierfreudige Kamera die Frische und den Enthusiasmus des Erstlings versprüht und die Sprache grossen Kinos spricht: Neugierig tastet sie die Figuren ab, rückt ihnen in
Close-ups auf die Pelle, heftet sich an ihre Fersen und schleicht ihnen ebenerdig hinterher, um sich dann wieder wie eine Detektivin hinter einem Gebüsch zu verstecken oder die Szenerie statisch
und distanziert in der Totalen zu beobachten. Dass «Brick» im Vorjahr in Sundance mit dem «Special Jury Prize for Originality of Vision» ausgezeichnet wurde, vermag ob solchen Einfallsreichtums
nicht zu verwundern. Wie die durchweg überzeugenden Jungdarsteller und Johnson ist jedenfalls auch Kameramann Steve Yedlin ein Mann, dessen Name im Cineasten-Notizbuch rot angestrichen gehört.