von Sandro Danilo Spadini
Am Schluss war es dann wirklich kaum mehr auszuhalten mit diesem Tony Scott: Nachdem er bereits mit dem fast schon krank- und krampfhaft stilisierten Rachethriller «Man on Fire» einen
Frontalangriff auf die Hör- und Sehorgane gefahren hatte, setzte er mit dem Kopfgeldjäger-Krimi «Domino» tatsächlich noch einen drauf. Überladen mit visuellem Verfremdungsschnickschnack und mit
gefühlten 50 Schnitten pro Minute halluzinogen über die Leinwand delirierend, war dies das filmische Äquivalent zu einem epileptischen Anfall – ein von Übermotivation und Stilverliebtheit in den
Wahnsinn und endlich ins Chaos getriebenes Machwerk, das man spontan einem 20-jährigen Frischling in die Schuhe schieben möchte, nicht jedoch dem 62-jährigen Regisseur von solider Genreware wie
«Enemy of the State». Nach Haue, Rüge und Schelte von allen Seiten scheint Scott mittlerweile jedoch über die Bücher oder in sich gegangen zu sein und seinen Red-Bull-Konsum etwas gedrosselt zu
haben. Mit dem recht geradlinigen Thriller «Deja
Vu» legt er nun nämlich einen Film vor, der zwar noch immer seine zittrige Handschrift erkennen lässt, der dank gesenkter Schnittzahl und einem Mü an stilistischer Zurückhaltung aber zugleich
nicht mehr zu jeder Millisekunde auf tutti geht.
Ausgeglichene Unebenheiten
Angesiedelt im «Katrina»-versehrten New Orleans, durchleuchtet die sich auf dem schmalen Grad zwischen «The Lake House» und «Minority Report» auf Zeitreise begebende Geschichte zunächst in
«CSI»-Manier die mysteriösen Umstände eines Terrorattentats auf eine Fähre. Stutzig macht im Zuge dessen insbesondere die Leiche einer jungen Frau (Paula Patton), die bereits Minuten vor der
Explosion entdeckt wurde. Wie der bisweilen selbstprophetische Titel mehr als nur suggeriert, stösst Forensikexperte Doug Carlin (Denzel Washington) bei seinen Ermittlungen aber auch anderweitig
auf etliche, teils Erinnerungen weckende Ungereimtheiten. Auflösung verschafft hierbei schliesslich ein ultimativ unverfrorener Drehbucheinfall, für den die Verantwortlichen eigentlich
abgewatscht gehören, den die Regie indes dermassen souverän entschärft, dass die schon auf der Zunge liegende Logiklitanei nachgerade im Keim erstickt wird: So wird uns hier allen Ernstes
weisgemacht, die Regierung habe zufällig ein Programm entwickelt, das es erlaubt, in einem gewissen Radius in die Vergangenheit zu blicken und eben auch zu reisen. Tückischerweise ist allerdings
immer bloss jenes Geschehen zu sehen und zu manipulieren, das sich vor vier Tagen, sechs Stunden und ein paar Zerquetschten abgespielt hat. «Wurmloch» nennt sich das offenbar, und das ist im
Grunde schon mehr Information als nötig. Denn wie das Ganze funktioniert, vermag der von Jerry Bruckheimer produzierte Film nicht zu erklären und muss auch nicht weiter interessieren. Von Belang
ist bloss, dass es Scott mittels elegant geschlossener Inszenierung und einer Prise pyrotechnischen Bombasts gelingt, fast sämtliche Unebenheiten auszugleichen und einen pausenlos packenden
Thriller auf die zugegebenermassen weiterhin etwas wackligen Beine zu stellen. Und das sollte trotz der romantischen Sülzigkeit des Schlusses und der Fragwürdigkeit eines deutlich
herauszuhörenden Loblieds auf den Überwachungsstaat sehr wohl goutiert werden.
Perfekter Kapellmeister
Ein bisschen verdient macht sich auch Denzel Washington, der als Beamter der Alkohol-, Tabak- und Schusswaffenbehörde einmal mehr auf der richtigen Seite des Gesetzes steht und mit einer
Durchschnittsleistung locker über die Runden kommt. Nicht minder pragmatisch geht der es sich in der Rolle eines FBI-Agenten gemütlich machende Val Kilmer die Sache an, derweil der brave Jim
Caviezel als böser Bube nicht allzu abgründig wirken mag. Schauspielerische Schmankerl sind hier freilich auch weit weniger gefragt als Scotts zuletzt unter all der verhackten visuellen
Schmelzmasse verschüttete Stärken. Im virilen Regieroutinier hat die zeitlich wie räumlich rochierende Geschichte schliesslich ihren geradezu perfekten Kapellmeister gefunden.