von Sandro Danilo Spadini
Auf hoher Kino-See ging es zuletzt ja relativ ruhig zu und her. Zwar mögen einem Celine Dions sturmumtosten Beschwörungen noch immer in den Ohren klingen, doch dass James Cameron den
dazugehörigen «Titanic»-Untergang neu verfilmt hat, liegt auch schon bald zehn Jahre zurück. Eine halbe Ewigkeit ohne kapitales Schiffchenversenken also, hat sich da irgendein auf den schnellen
Dollar gierender Produzenten-Schlaumeier-Roboter gedacht und dann innerhalb einer geschätzten Millisekunde die super originelle Idee erbrochen, die 1972 samt Shelley Winters bereits einmal
abgesoffene «Poseidon» nochmals hochziehen und runterkrachen zu lassen. Mit der heutigen CGI-Simulationstechnik würde das bestimmt ganz prima ausschauen, unkte wohl unser Pfiffikus, bevor er
schliesslich noch auf den verwegenen Gedanken kam, den alten Meer-Mann Wolfgang Petersen («Das Boot», «The Perfect Storm») auf die Kommandobrücke zu beordern. Ahoi! Soll noch einer sagen, denen
da drüben in Hollywood falle nichts mehr Neues ein!
Einfallsloser Vitaparcours
Stolz wie Oskar präsentiert uns Käptn Petersen denn auch sogleich seine wie sämtliche Aussenaufnahmen am Rechner gefertigte «Poseidon». Mittels einer virtuellen Kamerafahrt wird die exakte Länge, Breite und Höhe des dem Untergang geweihten
Luxusdampfers ausgemessen und aufgezeigt, was angesprochenes CGI vermag. Da diese Spezialeffekthascherei nun aber sinnlos teuer ist, musste andernorts gespart werden. So etwa bei dem sich für
keine Peinlichkeit schämenden Skript. Dieses hat vermutlich auch der Computer ausgespuckt, wiewohl der betreffende Kompetenzbereich im Vorspann einem gewissen Mark Protosevich zugesprochen wird.
Dort steht aber auch, dass dieser mit allen einschlägigen Übungen versehene Vitaparcours auf einem Roman beruhe. Der Verfilmung nach zu urteilen, kann es sich hierbei aber höchstens um ein
SJW-Heftchen handeln. Oder einen Faltprospekt, der launige Instruktionen für das Überleben in einem Kopf stehenden und auseinander berstenden Riesenkahn gibt.
Warten auf die Welle
Wolfgang Petersen, dessen Filmografie sich mehr und mehr wie der Strafregisterauszug eines kinematografischen Schwerstkriminellen liest, sind derlei Mankos aber ohnehin einerlei. Er mag sich bei
der Ausführung seines neusten Kapitalverbrechens nicht von solch lästigen Dingen wie Figurenentwicklung oder gar so was Profanem wie einer Handlung stören lassen; er ist hier, um es krachen zu
lassen. Als lustlos abgespultes Pflichtprogramm gestalten sich entsprechend die Auftaktsminuten, wo die Tod und Schrecken bringende Monsterwelle noch fern ist und das demografisch und politisch
korrekt bestückte Personal eingeführt wird. Von Figuren kann dabei freilich nicht gesprochen werden, allenfalls von schwarz-weiss fotokopierten Karikaturen von Figuren, denen Leute wie Kurt
Russell, Josh Lucas oder Richard Dreyfuss ihr Gesicht leihen, nicht aber ihre Seele geben. Niemand – und das wird sich bezüglich emotionaler Publikumsbindung noch rächen – scheint ein wirkliches
Interesse an diesem Vorgeplänkel zu haben. Alle warten sie nur auf die Welle, und wenn diese endlich kommt, ist das fast erlösend. Jetzt gehts los. Jetzt ist Zeit für Helden, Märtyrer und
Alphatierchen. Jetzt ist auch Petersen in seinem Element. Feuer und Wasser, Blut und Tränen, Schmalz und Schweiss. Die nun exklusiv veranstalteten Leibesübungen, im Zuge derer vornehmlich
Antipathieträger und Angehörige von Minderheiten in die Algen beissen werden, sind aber so einfallslos wie repetitiv und einzig unter dem technischen Aspekt reizvoll. «Poseidon» degeneriert so zu
herz- und hirnlosen Orgie der Computer-Trickser, die ihren Job notabene bravourös erledigen. Ein Film ist das aber nicht. Vielmehr ein Produkt. Eine ausschliesslich unter ökonomischen
Gesichtspunkten geplante Investition. Und ein Dokument für den in Hollywood derzeit herumspukenden Zeitgeist, das kommenden Generationen als – hoffentlich mahnendes – Paradebeispiel für die
heutige Mainstreamkino-Kultur dienen wird.