von Sandro Danilo Spadini
Clint Eastwood ist beispielhaft vorangegangen: Nach einer stattlichen Reihe betont blasser bis bloss brauchbarer Regiearbeiten riss sich der pensionsreife Actionheld am Riemen, kehrte auf seine
alten Tage dem Stammgenre den Rücken zu und brachte seine geballte Lebenserfahrung fortan in kluge Dramen wie «Mystic River» und «Million Dollar Baby» ein. Als Woody Allen im Vorjahr mit der
altersweis-ernsthaften Kriminaltragödie «Match Point» die Filmwelt verblüffte und endlich auch wieder mal begeisterte, schien es dann so, als kriege auch diese US-Kino-Legende noch die Kurve.
Doch während Eastwood sich in seinem demnächst zu sehenden Doppelschlag «Flags of Our Fathers» und «Letters From Iwo Jima» weiterhin seriös gibt und eine amerikanisch-japanische
Zweitweltkriegs-Schlacht gleich von beiden Seiten her beleuchtet, ist Allen nun in alte Muster verfallen und zum Jovialen zurückgekehrt. In «Scoop» zielt der 70-Jährige mit ziemlich zittrig
gewordener Hand wieder auf die Lachmuskeln und begnügt sich dabei abermals mit zunehmend biederer werdendem Durchschnitt. Die bittere Erkenntnis aus diesem Sampler allseits bekannter Motive aus
dem Schaffen des sich faul und bequem nur mehr auf den Wiedererkennungseffekt verlassenden ewigen Neurotikers: Woody Allen ist ein alter Mann geworden, und seine Scherze sind immer mehr die eines
alten Mannes.
Unvertrautes Terrain
Indes weist «Scoop» auch einige nicht
unprominente Parallelen zum Vorgänger auf: Erneut geht es um Mörderisches, Nachwuchs-Leinwandgöttin Scarlett Johansson ist ein weiteres Mal mit dabei, und verortet ist die Geschichte – wie im
Übrigen auch das noch titellose nächste Projekt des lokalpatriotischsten aller New Yorker – wiederum in London. Sich bedächtig und bisweilen behäbig an praktisch identischen
Postkarten-Schauplätzen verlustierend, kann Allen freilich auch diesmal nicht verhehlen, dass er sich auf ihm unvertrautem Terrain bewegt. Einer der wesentlichsten und unvorteilhaftesten
Unterschiede zu «Match Point» stellt derweil Allens Anwesenheit vor der Kamera dar – auf seine hier gezeigten mimischen Qualitäten näher einzugehen, verbieten jedoch Anstand und Respekt vor dem
Alter. Ein umso höher zu achtendes Glück ist es da, dass er sich für sein Darstellerensemble wie meist einige mehr als zuverlässige Kräfte angeln konnte. So etwa den stattlichen Australier Hugh
Jackman, der als charmanter, ungünstigerweise aber unter Serienmordverdacht stehender Aristokrat gefällt. Oder den knorrigen «Deadwood»-Saloonbesitzer Ian McShane, der einst in «Dallas» Sue
Ellens späteren Gatten gab und es seither weit gebracht hat. Als unlängst verstorbenem Investigativjournalisten kommt ihm in «Scoop» die Rolle des «agent provocateurs» zu: Indem er der
naiv-forschen Jungreporterin Sondra (süss: Johansson) als Geist erscheint und sie auf die Fährte der sensationellsten Londoner Mordsstory seit Jack the Ripper setzt, löst er eine Serie von
Knüllern, Brüllern und Pausenfüllern aus – mit einem markanten Übergewicht der Letzteren wohlgemerkt.
Mal flott, mal platt
Wie bereits im aufgeweckten Schwank «Manhattan Murder Mystery» und anders als in den psychologisch und philosophisch fundierten Glanzstücken «Crimes and Misdemeanors» und eben «Match Point» ist
die Kriminalgeschichte hier indes lediglich Vehikel für ein sich irgendwie zur Lösung des Falls stolperndes Amateurdetektiv-Duo. Wenn die rustikale Sondra und der widerwillig involvierte Zauberer
Splendini (tattrig und gierig jeden Gag für sich beanspruchend: Allen) mit ihrer amerikanischen Tollpatschigkeit die steifen Briten aufmischen, darf zwar nebst onkelhafter auch mit gewohnt
kostbarer Komik kalkuliert werden; doch bei allen unkompliziert flotten Passagen bietet «Scoop» halt auch manche unbeholfen platten Momente. Wenngleich dies eingefleischte Fans kaum erschüttern
wird, landet «Scoop» so in der Allen-internen Rangliste auf einem Abstiegsplatz – wobei es natürlich immer zu bedenken gilt, dass es sich hierbei um eine Liga von Weltklasseformat handelt.