von Sandro Danilo Spadini
Ganz so viele Bücher hat Jane Austen nun ja auch wieder nicht geschrieben; sechs Stück waren es, die die mit nur 41 Jahren früh Verstorbene vollenden durfte. Umso stattlicher nimmt sich das
filmische Korpus mit jenen 39 Kino- oder TV-Produktionen aus, die basierend auf Austens Werken entstanden sind. Gleich 15-mal wurde etwa «Pride and Prejudice» für die Leinwand oder die
Mattscheibe adaptiert, und just der jüngsten, mehrfach Oscar-nominierten Verfilmung dieses britischen Kulturguts ist der zweite kinematografische Jane-Austen-Boom innerhalb nur eines Jahrzehnts
und also auch die nun vorliegende Biografie «Becoming
Jane» geschuldet. Der Begriff Biografie mag bei dieser im Vertrauen auf sattsam erprobte Mittel und Wege gefertigten Tragikomödie freilich etwas hoch gegriffen sein, deckt sie doch nur einige
Monate aus dem Leben der zum It-Girl des Kinos avancierten Autorin ab.
Affäre als Vorlage
Angesiedelt ist die Geschichte in den 1790er-Jahren, in einer Zeit, als Jane Austens literarische Ambition weiterhin der Publikation harrte. In der sehr hübschen Eröffnungssequenz dürfen wir sie
noch dabei beobachten, wie sie im Morgengrauen kritzelnd an ihrem Pult sitzt und um die passenden Wörter ringt. Bald jedoch wird das Schreiben vorübergehend in den Hintergrund rücken und dem
nachmaligen Hauptthema ihrer Bücher Platz machen: der Liebe in all ihren Facetten, namentlich dem Suchen und Finden der ersten, der grossen, der einzigen Liebe. Die kurze Affäre mit dem
hallodrihaften irischen Anwalt Tom Lefroy wird dann allerdings wiederum ihr künstlerisches Wirken erheblich prägen. Wenn uns die mitunter Fakt und Fiktion vermischenden Drehbuchautoren Kevin Hood
und Sarah Williams hier nicht anschwindeln, war die an unüberbrückbaren gesellschaftlichen Hindernissen gescheiterte Beziehung Austens Schlüsselerlebnis, das ihr gleichsam die Basis zu «Pride and
Prejudice» lieferte. Und in seiner verfilmten Form diente ebendieses Werk schliesslich den Filmemachern als Inspirationsquelle. So lässt Regisseur Julian Jarrold, der fürs britische Fernsehen
schon einiges an Weltliteratur vor die Linse gezerrt hat, Jane und ihren Galan an den nahezu gleichartigen naturgewaltigen Schauplätzen tummeln und von dem beinahe identischen stereotypischen
Personal umrahmen: dem langmütigen Vater, der hysterischen Mutter, den lieben Schwestern, dem hölzernen Nebenbuhler, der herrischen Adligen. Einzig bei den gerne mit Vogelgezwitscher unterlegten
Dialogen sind hinsichtlich Witz und Gewitztheit gewisse Abstriche zu machen; dies nun aber liegt auf der Hand, stammen sie ja auch nicht aus der Feder von Frau Austen, sondern eben aus dem
Computer von Herrn Hood und Frau Williams.
Harmonierende Darsteller
Entsprechend unaufgeregt nimmt man das Ganze zur Kenntnis – was gerade gegenüber den auch hier ganze Arbeit leistenden Set- und Kostümdesignern und vor allem gegenüber den beiden hervorragend
harmonierenden Hauptdarstellern einigermassen unangebracht ist; was die rehäugige Amerikanerin Anne Hathaway («The Devil Wears Prada») und der schottische Senkrechtstarter James McAvoy («The Last
King of Scotland») hier leisten, ist nämlich aller Ehren wert. Auch der Regie ist kaum etwas vorzuwerfen – ausser vielleicht, dass «Becoming Jane» den bestehenden Austen-Adaptionen weder
inhaltlich noch inszenatorisch Wesentliches hinzuzufügen hätte. Wiewohl sich bisweilen durchaus keck gebend, scheint der Film gleich seinen Helden in starren Konventionen gefangen zu sein, was
ihn letztlich ein wenig seines Esprits beraubt. Überaus sorgfältig umgesetzt und nachgerade perfekt ausgestattet, ist «Becoming Jane» so zwar gediegen routinierte Unterhaltung, aber aufgrund des
Mangels an Originalität doch nichts, was man in Briefen an seine Liebsten erwähnen müsste.