von Sandro Danilo Spadini
Es ist die Geschichte eines Verrats von gleichsam biblischem Ausmass: Am 18. Februar 2001 wird der hochrangige FBI-Agent Robert Hanssen wegen Spionage verhaftet. Während mehr als 20 seiner 25
Jahre bei der US-Bundespolizei hat der strenggläubige Katholik und Opus-Dei-Anhäger dem KGB respektive dessen Nachfolgeorganisation Geheimpapiere verkauft und dafür 1,4 Millionen Dollar in bar
und Diamanten erhalten. Nach seiner Verhaftung wird man vom «vielleicht schlimmsten Geheimdienst-Desaster in der US-Geschichte» sprechen. Robert Hanssen wird im Juli 2001 zu einer lebenslangen
Haftstrafe verurteilt.
Pragmatische Präzisionsarbeit
Bereits vor fünf Jahren wurde die Geschichte des Robert Hanssen filmisch aufgearbeitet; der von Norman Mailer geschriebene, mit William Hurt und David Strathairn hochkarätig besetzte Fernsehfilm
«Master Spy» kann nun indes als gegenstandslos abgebucht und als unausgereifter Vorläufer eines Meisterwerks dem Vergessen überlassen werden. Ebendieses Meisterwerk heisst «Breach» und ist gleichzeitig das Meisterstück seines
Regisseurs Billy Ray, der vor vier Jahren mit dem höchst ansprechenden, ebenfalls auf wahren Begebenheiten beruhenden Journalistendrama «Shattered Glass» in diesem Fach debütierte und sich
hernach wieder dem Verfassen von Skripts zu Filmen wie «Flightplan» widmete. Mit seiner zweiten, ungleich dichteren und präziseren Regiearbeit ist Ray gegenüber dem Gesellenstück nun auf hohem
Niveau nochmals eine Steigerung geglückt. Sein gewiss noch ausbaufähiges inszenatorisches Instrumentarium in den Dienst der Sache stellend, heftet sich Ray bei seiner dezenten Fiktionalisierung
der realen Ereignisse an die Fersen des FBI-Neulings Eric O’Neill. Von Ryan Phillippe im Stile des jungen Kyle MacLachlan mit der gerade rechten Mischung aus naiver und abgründiger Neugierde
verkörpert, wird der 26-jährige Karrierist in der von Geheimniswolken verdüsterten und in Graubereichen spielenden Handlung ein sicherer Referenzwert für das Publikum sein. O’Neill selbst kann
sich derweil an niemandem orientieren. Von der FBI-Spitze (perfekt repräsentiert von Laura Linney, Dennis Haysbert und Gary Cole) wird er dem schon damals legendären Hanssen (Chris Cooper) als
Sekretär zugeteilt mit dem Auftrag, Beweise für dessen firmenschädliche sexuelle Eskapaden zu beschaffen. Wegen der konservativen Moralvorstellungen seines religiös missionierenden Vorgesetzten
beginnt O’Neill indes schon bald an den Erklärungen für seinen Einsatz zu zweifeln.
Freiraum für Darsteller
Wiewohl Hanssen tatsächlich einigermassen abnorme erotische Vorlieben in einer für alle Seiten ungünstigen Manier pflegte, hat O’Neill mit seinem Verdacht natürlich Recht. Und obwohl wir das von
Anfang an wissen, hält uns «Breach» in einem stabilen Zustand der (An-)Spannung. Nicht zuletzt liegt das an Chris Coopers atemberaubender Darstellung dieses so unwahrscheinlichen, so
unglamourösen, so banalen Superspions. Ohne ihn der Lächerlichkeit preiszugeben oder gleich an den Teufel zu verschenken, porträtiert Cooper den Verräter zwischen Kauz und Freak, als einen
zutiefst widersprüchlichen, gleichzeitig Abscheu und Mitleid evozierenden Menschen. Den zur Entfaltung nötigen Freiraum gewährt ihm die Regie nur allzu gerne, interessiert sie sich doch ohnehin
mehr für die Figuren als für Regierungsgeheimnisse. Entsprechend entwickelt sich der als Spionagekrimi verpackte Streifen allmählich zum psychologischen Thriller, recht eigentlich sogar zu einem,
wenn nicht zwei Psychogrammen. Anders als Robert De Niros CIA-Saga «The Good Shepard» kommt Rays aus dem Schatten und dem Nebel herausgelöster und ins kühle, fade Neonlicht gestellter Film ohne
grosse, romantisierende, mystifizierende Gesten aus und schafft es obendrein spielend, die Balance zwischen Beruf und Privatleben zu halten (auf letzterem Feld ist mit Caroline Dhavernas als
O’Neills Gattin sogar noch eine Entdeckung zu machen). Sicherlich nicht geschadet hat schliesslich, dass der richtige Eric O’Neill Regisseur Ray bei der Drehbuchentwicklung beraten hat, was dem
Film trotz der von Phillippe in unseren Blickwinkel transportierten Naivität etwas Wissendes verleiht und ihn letztlich wohl auch so glaubwürdig macht.