von Sandro Danilo Spadini
Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es Robert Redford mit seinem Engagement am linken Rand des US-amerikanischen Politspektrums ernst ist, so ist dieser mit seiner Regiearbeit
«Lions for Lambs» nun erbracht. Denn wer eine von
Tom Cruise, Meryl Streep und seiner eigenen Wenigkeit angeführte Besetzung für einen solch dialogintensiven und im besten Sinn unterhaltungsarmen Streifen wie ebendieses (gesellschafts-)
politische Lehr- und filmische Bühnenstück nutzt und damit sehenden Auges Millioneneinnahmen an den Kinokassen verschenkt, der will uns und vor allem seinen Landsleuten wirklich etwas sagen. Und
wenn ein überlegener Geist wie Robert Redford uns etwas sagen will, dann sollten wir aufpassen. Was er in seiner ersten Regiearbeit seit sieben Jahren ausbreitet, mag zwar keine bahnbrechend
neuen Erkenntnisse zu den Unbilden des Irak- und des Afghanistan-Kriegs beinhalten und letztlich bloss das Zusammenfügen von schon anderswo hinlänglich erörterten Thesen sein; doch geschieht dies
dank eines Minimums an Pathos und eines Maximus an Einsatz auf eine ungemein vereinnahmende Weise und bei nur knapp 90 Minuten Laufzeit in wohl stark komprimierter, aber nichtsdestotrotz
analytisch höchst elaborierter Form.
Bühne für drei Paare
Wie in einem Theaterspiel gewährt Redford seinen in Zweiergruppen organisierten Protagonisten praktisch keine Bewegungsfreiheit und lässt sie vor allem eines tun: reden. Reden über den Krieg,
reden über die amerikanische Gesellschaft, reden über die (bedenkliche) Rolle der Medien. Das am pointiertesten geführte der insgesamt drei Gespräche findet dabei zwischen einer altgedienten
liberalen Journalistin (Streep) und einem aufstrebenden republikanischen Senator (Cruise) in dessen Washingtoner Büro statt. Schwerpunkt des Interviews ist eine neue, vermeintlich
verheissungsvolle Strategie der Kriegsführung in Afghanistan, die just zum Zeitpunkt der Unterhaltung implementiert wird und in unmittelbarster Form zwei weitere Hauptakteure des Films betrifft:
einen afroamerikanischen Soldaten (Derek Luke) und dessen hispanoamerikanischen Mitstreiter (Michael Peña), die sich nach einem verunglückten Manöver auf einem verschneiten Bergplateau von
Taliban-Kämpfern umzingelt sehen. Der ehemalige Uniprofessor der beiden (Redford) verstrickt sich derweil zu Hause in Kalifornien in eine Diskussion mit einem so faulen wie brillanten
Politologiestudenten (Andrew Garfield), der aufgrund einer bereits weit fortgeschrittenen Desillusion und Resignation zunächst kein Gehör findet für die kämpferisch aufrüttelnden Parolen seines
Profs.
Nicht für die Massen
Timingsicher ineinander verwoben und mit klugen, bisweilen gewitzten, jedoch selten auf knackig-billige Oneliner-Pointen zielenden Argumentationsketten aufwartend, führt uns «Lions for Lambs» so
das ganze amerikanische Dilemma im Krieg gegen den Terror vor Augen. Wenngleich beide Seiten zu Wort kommen, bezieht Redford erwartungsgemäss eindeutig Stellung und steht konsequent für seinen
liberalen Standpunkt ein. Das ist legitim und angesichts der Unerfahrenheit des Drehbuchautors gleich doppelt mutig. Einen Frischling wie Matthew Michael Carnahan mit einem solchen
Prestigeprojekt zu betrauen, zeugt schliesslich von Gottvertrauen in einen Mann, der erst eben mit dem Politthriller «The Kingdom» eher unglücklich debütierte. Doch all das, was man in «The
Kingdom» noch vermisste, ist nun halt im Skript von «Lions for Lambs» drin. Und dass die Charaktere kaum über Hintergrund verfügen, liegt schlicht in der Natur der beinahe in Echtzeit ablaufenden
Sache. Wenn die Figuren dennoch eine gewisse Tiefe erhalten, muss das dann also das Verdienst der Darsteller sein – wobei gerade die grossen Namen, Streep und Cruise, gross aufspielen.
Gleichzeitig zu begrüssen und zu bedauern ist derweil, dass dieses Lehrstück nicht in einer populäreren, massentauglicheren, publikumsfreundlicheren Form präsentiert wird oder vielmehr
präsentiert werden kann. So wird «Lions for Lambs» wohl am Popmassenpublikum vorbeigehen. Und dabei wäre dies wenn auch nicht der beste, so doch jedenfalls der wichtigste Film des Jahres.