von Sandro Danilo Spadini
Das Intro zur romantischen Komödie «Music and
Lyrics» ist schon einmal gross. Es zeigt einen Videoclip der fiktiven Achtzigerjahre-Band PoP!, in dem einfach alles enthalten ist, was einem heutzutage eine Bindehautentzündung auf die Augen
und einen Tinnitus in die Ohren jagt: Schleimpop à la Thompson Twins, Frisuren à la Spandau Ballet, Rumgehopse à la Wham! und das Ganze in Hosen, deren schmerzlich enger Schnitt sich nach neueren
medizinischen Erkenntnissen recht ungünstig auf die Fähigkeit zur Fortpflanzung auswirken kann. Die mit standesgemässem Weichzeichner verfeinerte Grusel-
show dient freilich nicht bloss der
atmosphärischen Einstimmung auf das Kommende; sie hat vielmehr auch den urpraktischen Zweck, uns mit dem Protagonisten bekannt zu machen. Dieser heisst Alex Fletcher (Hugh Grant), war zur Zeit
der modischen und musikalischen Finsternis stimmliches Element von PoP, scheiterte hernach mit seiner Solokarriere, hat seit zehn Jahren nichts mehr geschrieben und steht nun vor einer nicht
übermässig kniffligen Wahl: entweder zusammen mit Achtziger-Grössen wie Tiffany und Debbie Gibson bei einer Promishow mit dem kessen Titel «Battle of the 80’s Has-beens» mitmachen und sich
daselbst ein Comeback erboxen – oder bis Ende Woche einen Hit für Teenie-Superstar Cora (Debütantin Haley Bennett) komponieren.
Kluge Entscheidung
Vernünftig, dass sich der ungemein entspannt wirkende und sein Tun betont realistisch sehende Alex für Letzteres entscheidet. Problematisch dabei jedoch: Das Texten war seine Stärke noch nie,
weshalb auf die Schnelle noch jemand für die zur «Music» passenden «Lyrics» aufgetrieben werden muss. Da es sich hierbei wie gesagt um eine romantische Komödie handelt, ist dieser Jemand ganz
folgerichtig eine Frau, und zwar eine, die es nicht nur mit dem Reimen hat, sondern auch noch richtig passabel ausschaut. Sophie Fisher (Drew Barrymore) heisst dieser polyvalente Deus ex Machina,
und weil es sich hierbei wie schon zweimal gesagt um eine romantische Komödie handelt, wird sich Alex – das spürt der routinierte Kinogänger einfach – bald Hals über Kopf in sie verlieben.
Verlässliche Stars
Es kommt, wie es kommen muss in «Music and Lyrics», dem Regie-Zweitling des Brooklyner Filmemachers Marc Lawrence, der vor rund fünf Jahren im selben Genre mit dem schmucken
Hugh-Grant/Sandra-Bullock-Vehikel «Two Weeks Notice» recht hoffnungsvoll debütierte. Wie in einem innovationsscheuen Achtzigerhit kommt überdies alles in genau jenem Moment, in welchem es kommen
muss: in der ersten Strophe verstärkt das Komödiantische, Strophe zwei mit Fokus auf das Romantische, im Gitarrensolo ein Schuss Tragik und der Bombast-Refrain mit dem Happy End. Nichtsdestotrotz
unterscheidet sich dieser Standardschwank in einigen ganz wesentlichen Punkten von den zahllosen Plastikproduktion aus derselben Ecke: Lawrence’ Film hat ein grosses Herz, an welchem ihm alle
seine mal mehr, mal minder defizitären Figuren liegen; er sprüht und sprudelt gerade zu Beginn nur so vor Wortwitz; und er porträtiert mit liebevollem Spott und ohne verächtlichen Hohn zwei
zutiefst sympathische Menschen. Dass er sich keine allzu bissig satirische Etikette geben will, wenn er bloss sanfte Seitenhiebe auf die derzeitige Retro-Manie oder das heutige Musikgeschäft
verteilt, und Fragen rund um den Konflikt zwischen künstlerischer Integrität und kommerziellem Interesse nur eine Handbreit aufwirft, ist derweil legitim. Ein Film dieser Art ist indes immer nur
so gut wie seine Stars. Auf sie kommt es letztlich an, und auf sie kann sich Lawrence denn auch jederzeit verlassen – zumal im Duett mit dem humorigen Hochgenuss quasi garantierenden Hugh Grant
auch Drew Barrymore nach zuletzt zünftigen Schnitzern mal wieder zu Topform aufläuft. Selbst wenn die Chemie zwischen diesen beiden Charmeuren gewiss ausbaufähig gewesen wäre, kommt so ein flott
ins Ohr und tief ins Herz gehendes Feelgood-Movie auf den Plattenteller, das nicht nur Kindern der Achtziger ganz unangestrengt ein stetes Schmunzeln oder Kichern oder gar Losprusten entlockt.