Hundeblick in die unmittelbare Zukunft

Mit der Hauptrolle in dem auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick beruhenden Sciencefiction-Thriller «Next» hat Superstar Nicolas Cage abermals ein schlechtes Händchen bewiesen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Es gibt derzeit wohl keinen anderen Starschauspieler, der auf ein solch heterogenes Œuvre blicken kann wie Nicolas Cage. Ausreisser nach oben wie unten wechseln sich bei ihm seit je ab, bloss oder immerhin solide Produktionen scheinen ihm derweil suspekt zu sein. Cage ist hinsichtlich seiner Rollenwahl sozusagen der Hamburger SV der Filmwelt – zuletzt zu sehen in Champions-League-reifen Filmen wie «Lord of War» und «The Weather Man», aber auch in nicht mal Regionalliga-tauglichem Grottenwerk wie «The Wicker Man» und «Ghost Rider». Letztere beiden Streifen liessen sich mit dem Sciencefiction-Thriller «Next» nun zu einer Trilogie zusammenfassen, die den Titel «Die künstlerischen Irrwege des Nicoals C.» tragen könnte. Mit der lauen Verfilmung einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick («Blade Runner») schafft Cage nämlich den Hattrick – einen Eigentor-Hattrick notabene.

Von allen gejagt

Adaptionen von Dick-Kurzgeschichten liegen seit einigen Jahren ja ziemlich im Trend; richtig glücklich geworden ist freilich niemand mit den Filmversionen etwa von «Impostor», «Paycheck» oder auch «Minority Report». Bei «Next» wird sich das nicht gross anders verhalten, ist dieses schale Gemisch aus philosophischem Thriller und lärmendem Actionreisser doch umso redundanter, als es einer weiteren eher unglückseligen Modeströmung folgt – einem Trend, der mit der Schmonzette «The Lake House» unlängst seinen Anfang nahm und sich mit dem Thriller «Déjà vu» und dem Drama «Premonition» fortgesetzt hat. Diesen dreien und eben «Next» ist ein allenfalls von neu in den Stephen-Hawking-Fanklub eingetretenen Zwölfjährigen goutiertes Wandern und Stolpern durch den Zeitverlauf gemein. Mal sehen die Figuren voraus, mal hüpfen sie in die Vergangenheit, mal sind sie in einer Schlaufe gefangen. Der von Cage dargestellte Magier Cris aus «Next» besitzt die Fähigkeit, seinen Hundeblick in die ganz nahe Zukunft, namentlich auf die nächsten zwei Minuten, zu werfen. Derlei kann einen auf den Bühnen von Las Vegas natürlich schon recht weit bringen, wirkt sich aber nachteilig aus, wenn eine hammerharte FBI-Agentin (etwas zu hammerhart: Julianne Moore) einen zum Staatsdienst verpflichten will. Aller Ehren wert ist zwar deren Plan, mit Cris’ Hilfe ein paar Atombomben stibitzenden Halunken das Handwerk zu legen. Aber Cris mag einfach nicht. Er will jetzt mit der feschen Liz (nur fesch: Jessica Biel) turteln. Die hat er nämlich in massiver Überziehung der ihm eigentlich zugestandenen zwei Minuten Vorsprung schon vor Monaten im Geiste in seinen Armen liegen sehen. Lästig ist halt einfach, dass die Terroristen ihn auch schon auf der (Abschuss-)Liste haben und er nun von allen gleichzeitig gejagt wird.

Nur wenige Treffer

Dieses Szenario ist natürlich prima für einen Regisseur wie den neuseeländischen Actionspezialisten Lee Tamahori, der mit «Die Another Day» den schlechtesten Bond aller Zeiten zu verantworten hat und zuletzt aktenkundig wurde, als er im Transvestiten-Outfit einem Undercover-Polizisten sexuelle Dienste gegen Cash feilbot. Ein schräger Vogel also, dieser Lee Tamahori, und im Grunde nur ein mässiger Regisseur. Zwischendurch gelingt ihm aber immer wieder mal was ganz Flottes. So etwa die fast legendäre Geldübergabe-Szene im ansonsten recht blassen Thriller «Along Came a Spader» – und ebenso etwa zu Beginn von «Next» eine aberwitzige Verfolgungsjagd zu Fuss oder später ein kleines Action-Feuerwerk mit hohem Materialverschleiss. Solcherlei und das – indes nicht abgerufene – Können der beiden Hauptdarsteller hätten den nach knackigem Auftakt bald abflachenden und immer wieder unfreiwillig komischen Film vielleicht noch knapp über die Runden bringen können. Katastrophal eindimensionale Figurenzeichnungen, stümperhaft agierende fremdländische Darsteller auf der Schurkenseite (u.a. der Deutsche Thomas Kretschmann) und ein finaler Taschenspielertrick, für den sich sogar ein trunksüchtiger Kindergeburtstags-Zauberer schämen würde, machen dem Ganzen aber den Garaus. Kann ja sein, dass sich in «Next» ein unbedingt bedenkenswerter philosophischer Ansatz verbirgt – wahrscheinlich ist das aber nicht. Auch nach diesem neuerlichen Flop wird Hollywood wohl aber nicht Ruhe geben, bis nicht jeder von Philip K. Dick geschriebene Einkaufszettel zu Zelluloid gebracht wurde. Und er wird vermutlich Cage auch nicht dazu bringen, seine Rollenwahl zu überdenken.