Gefährliche Spiele im weltweiten Netz der Lügen

In dem recht spannungsreichen und nicht allzu logikarmen Thriller «Perfect Stranger» stehen die beiden Superstars Halle Berry und Bruce Willis erstmals gemeinsam vor der Kamera.

 

von Sandro Danilo Spadini

Als «sexy Thriller» wird «Perfect Stranger» zwar vermarktet, doch nein: Die befürchtete (und von manchen erhoffte) Rückkehr des vor allem in den Neunzigern etwas zu populären Erotikthrillers ist dies nicht. Die Zeiten haben sich halt geändert. Was noch vor zehn Jahren nicht mal im Priesterseminar Anstoss oder sonst was erregt hätte, gilt im porentief prüden Mainstream-Kino heutiger Prägung schon als verrucht und verwegen. Mithin muss Hauptdarsteller Bruce Willis hier denn auch nicht mehr bis ans Äusserste gehen und wie in seiner Todsünde «Color of Night» (1994) seinen Pillermann herzeigen; und selbst seine sich ansonsten durchaus freizügig gebende Gegenspielerin Halle Berry darf ihre Kleider am lieblichen Leibe behalten. Doch keine Angst: Wiewohl dies bei der einen oder dem anderen wie ein kalte Dusche wirken wird – wirklich wehgetan hat die zeitgenössische Züchtigkeit dem neuen Film von Thrillerspezialist James Foley («Confidence») nicht.

Forsche Journalistin

Während Handlung wie Umsetzung nichts Revolutionäres bereithalten, sorgt unser neokonservativ erotische Streifen immerhin dadurch für eine halbwegs erwähnenswerte Novität, indem er die beiden erwähnten Stars erstmals vor der Kamera vereint. Das Cineasten-EKG wird darob wohl auch weiterhin in relativ geordneten Bahnen verlaufen, zumal die zwei – wie hier abermals offenbar wird – nicht eben als leibhaftige Schauspielgötter durchgehen; doch gerade für die als Catwoman unter argem Katzenjammer abgestürzte Berry, die ihren ohnehin mehr politisch motivierten Oscar für «Monster’s Ball» bislang nicht in eine übertrieben schillernde Karriere umzumünzen vermochte, könnte dieser Besetzungscoup eine (zweite) Chance sein. Die dunkelhäutige Diva ist in der Rolle der forschen Journalistin Rowena entsprechend der Kamera Liebling und aufgrund deren Wertschätzung für ihre körperlichen Vorzüge immer wieder den anzüglichen Blicken des Betrachters ausgesetzt. Ihre von Vergangenem geplagte Figur hat es sich derweil auf die Fahnen geschrieben, die Bösen unter den Mächtigen zu exponieren. Nachdem dies bei einem bigotten Politiker wegen dessen gesunder Vitamin-B-Bilanz nicht so gut geklappt hat, macht sie sich mit Hilfe ihres leicht zwielichtigen Kumpels Miles (der grossartige Giovanni Ribisi) an den machtgeilen und sexgierigen Werbeguru Harrison Hill ran, der überraschenderweise nicht von Michael Douglas, sondern eben von Willis gespielt wird.

Routiniertes Ratespiel

Herr Hill ist grundsätzlich spitz wie Nachbars Lumpi. Alles, was nicht bis drei unterm Schreibtisch ist, wird von ihm zum Leidwesen von Frau Hill (Paula Miranda) früher oder später vernascht. Doch nicht nur das von mancher Schönheit bevölkerte Büro der eigenen Werbeagentur ist ihm Tummelplatz seiner Lüste; auch in den Chatrooms unserer virtuellen Welt geht der smarte Lümmel gerne mal auf Beutefang. Vor die Flinte gekommen ist ihm ebenda etwa unlängst Rowenas ebenfalls recht dubiose Freundin Grace (Nicki Aycox), die nach einem schwitzigen Techtelmechtel und gescheitertem Erpressungsversuch mittlerweile jedoch auf der Bahre des örtlichen Leichenbeschauers liegt. Die bezüglich Täterschaft gewiss sachdienliche Kombination der letzteren Infos ist für Rowena Grund genug, in Harrisons Agentur als Aushilfe anzuheuern und ausserhalb der Bürozeiten im weltweiten Netz der Lügen den neuen Chef mit ihrem Verführungsgarn zuzuspinnen. So klar, wie es scheint, ist der Fall dann aber doch nicht. Vielmehr ist er gar so unklar, dass Foley immerhin drei Versionen des Finales gedreht hat – mit jeweils unterschiedlichem Mörder. Doch so willkürlich das am Ende auch scheinen mag, so geschickt ist es letztlich konstruiert – und dies notabene, ohne die in diesem Genre so oft geschändete Logik allzu grob zu malträtieren. Routiniert und mit lückenlosem Spannungsbogen inszeniert, ist «Perfect Stranger» so zu einem passabel unterhaltenden Ratespiel geraten, dem auch gelegentliche, doch noch Erinnerungen an die Neunziger weckende Abrutscher ins Trashige nicht den Eispickel-Garaus machen.