von Sandro Danilo Spadini
Wenn Steven Soderbergh («Syriana») seiner ausgeprägten Experimentierfreudigkeit freien Lauf liess, ist das bislang nicht sonderlich gut rausgekommen. Ungern erinnert man sich etwa an die
versemmelte Dogma-Ableitung «Full Frontal», vom sperrig-hölzernen «Kafka» brummt einem noch heute der Schädel, und auch die Film gewordene Party «Ocean’s Twelve» hat eine gewisse Katerstimmung
hinterlassen. Dass Soderbergh auf künstlerisch gehobenem Niveau auch ganz anders kann, hat er freilich schon innerhalb seiner süffigeren Sachen sattsam bewiesen; und eingedenk der Genialität
dieses Filmemachers durfte man davon ausgehen, dass er dereinst auch bei einem seiner Konzeptfilme ein glücklicheres Händchen und helleres Köpfchen offenbaren würde. Zu Recht, wie sich nun in der
sehr hübschen schwarz-weissen Form von «The Good
German» zeigt. Dies nun nämlich ist die stilistisch konsequenteste und überzeugendste Hommage an den Film noir bis zu diesem Tage, dabei aber mitnichten eine brotlose Stilübung und weit mehr
als eine filmgeschichtsträchtige Spielerei von Intellektuellen für Intellektuelle – selbst wenn die von Soderbergh abermals unter Pseudonym persönlich (und virtuos) bediente Kamera gewiss schwer
in sich selbst verliebt ist.
Wechselnde Perspektive
Angelehnt an «Casablanca» und noch deutlicher an «The Third Man», wird in «The Good German» eine mörderische Geschichte aus Nachkriegsdeutschland erzählt. Angesichts der bisherigen
Soderbergh-Experimente auffallend ist hierbei, dass überhaupt etwas und dann erst noch eine Geschichte erzählt wird. Ebendiese handelt von drei Personen, deren Wege sich im Sommer 1945 in dem von
den Alliierten besetzten Berlin nicht ganz zufällig kreuzen. Narrativ verwegen wird dabei das ohnehin recht verzwickte Geschehen aus blockweise wechselnder Perspektive geschildert. Als Erster
darf uns der sich zum korrupten Glücksritter aufschwingende Army-Chauffeur Tully (gegen den Typ besetzt: Tobey Maguire) seine Sicht der Dinge kundtun. «Der Krieg ist das Beste, was mir je
passiert ist», wird uns der Hobby-Halunke bald einmal mitteilen – noch unwissend, dass ihm in seinem Leben fürderhin nicht mehr gar so viel passieren wird. Nachdem Tullys durchsiebter Körper aus
dem Fluss gezogen worden ist, kommt als Nächster dessen Vorgesetzter Jakob Geismer (kernig: George Clooney) zu Wort. Als Kriegskorrespondent an seine vormalige Wirkungsstätte entsandt, hat «Jake»
es sich in den Sturkopf gesetzt, den mysteriösen Mord an seinem Fahrer aufzuklären. Umso motivierter geht er dieses von diversen Parteien obstruierte Unterfangen an, als mit Tullys Affäre Lena
(mit sattelfestem Deutsch: Cate Blanchett in Marlene-Dietrich-Manier) auch seine Ex-Geliebte in den Fall involviert ist. Wie es scheint, hat Lenas vermeintlich verstorbener Gatte etwas, das alle
wollen, derweil sie, gebrochen und verhärmt, als Prostituierte «Liebe verkauft, die sich nicht hat». Auf welcher Seite Lena – unsere dritte Erzählerin – steht, bleibt indes rätselhaft wie so
vieles in diesem von diffusen Loyalitäten und skrupellosen Nachkriegsgewinnlern geprägten Wirrwarr. Klar scheint einzig, dass auch bei verstummten Waffen von Frieden nicht die Rede sein kann und
dass nach dem Krieg vor dem Krieg ist.
Rigoros unzeitgenössisch
Nicht übermässig tiefgründig, doch wenigstens im Ansatz ambitioniert, versucht Soderberghs Romanverfilmung gleichsam als Rahmen zum Mörderpuzzle das kaum retouchierte Sittenbild einer von
geopolitischem Pragmatismus und Zynismus beherrschten Zeit zu kreieren – und bricht damit wie auch mit einem vom zensierenden «Production Code» der Film-noir-Ära unbehelligten Sprachgebrauch mit
der bis hin zu Schnitt und Soundtrack rigoros unzeitgenössischen Inszenierung. Wenngleich die inhaltliche Komponente mit der formalen Finesse letztlich nicht ganz Schritt zu halten vermag, ergibt
sich so und auch dank der soliden Performances des Protagonistentrios ein ziemlich rundes und wohlgemerkt unterhaltsames Ganzes: ein bildsprachliches Kunstwerk, das mehr ist als nur der Egotrip
seines Regisseurs.