von Sandro Danilo Spadini
Man könnte es als falsches Versprechen bezeichnen, wenn uns Regisseur Peter Berg im Vorspann zu «The Kingdom» in einem Höllentempo einen groben historischen Abriss des Verhältnisses zwischen den USA und Saudi-Arabien präsentiert.
Etikettenschwindel braucht ihm zwar nicht unterstellt zu werden, doch wenigstens weckt er damit Erwartungen, die er zu erfüllen gar nicht erst gewillt ist. Wiewohl der Film irgendwie als
Politthriller angelegt ist, ist ihm in der Folge nämlich nichts wirklich Wissenswertes oder halbwegs Hintergründiges zu Politik und Geschichte mehr zu entnehmen. Stattdessen sucht Berg den
Kulturen-Clash zu ergründen und im eher beliebigen Schlussteil ein Actionfeuerwerk vom Stachelzaun zu reissen. Aufgrund einer gewissen Plattheit im gesellschaftskritischen Teil und einer groben
Vernachlässigung des Informationsflusses im kriminaltechnischen Abschnitt funktioniert diese Taktik aber nur leidlich.
Hinterhältiger Anschlag
Ihren Anfang nimmt die Geschichte von «The Kingdom» in einem Stück Amerika mitten im Nahen Osten: einer mit Baseball und Barbecue Heimat simulierenden Wohnsiedlung in Riad, die durch einen
hinterhältigen, Hunderte von Todesopfern fordernden Terroranschlag vollständig zerstört wird. Da die US-Politik aus wirtschaftlichen Erwägungen untätig bleiben will, entschliesst sich eine
vierköpfige Gruppe von FBI-Spezialisten dazu, in Eigeninitiative nach Saudi-Arabien zu fliegen, um einen bei den Anschlägen getöteten Kollegen zu rächen. Einmal vor Ort, können sie auch all des
Königsreichs Amtsschimmel und all des Königsreichs Polizeimänner nicht mehr aufhalten. Nach kulturell bedingt holprigem Start dürfen die fanatisch fantastischen vier (Jamie Foxx, Chris Cooper,
Jason Bateman und Jennifer Garner) schliesslich aber auch auf die Kooperation der örtlichen Gesetzeshüter setzen. Ja zwischen dem federführenden Agenten Fleury (Foxx) und dem Polizeikommandanten
Al-Ghazi (Ashraf Barhom) entwickelt sich sogar so etwas wie eine Freundschaft.
Nur in Ansätzen gelungen
Zunächst hat man bei «The Kingdom» noch das mulmige Gefühl, dass hier auch antimuslimische Reflexe ausgelöst werden sollen. Glücklicherweise erweisen sich diese Befürchtungen in der Folge jedoch
als unbegründet, wird gerade in der Person des desillusionierten Al-Ghazi doch auch auf der «anderen Seite» ein lupenreiner Sympathieträger installiert. Da überdies das bisweilen
arrogant-ignorante Auftreten der amerikanischen Besserwisser und Bessermacher durchaus kritisch kommentiert wird, gedeiht mit der Zeit sogar die Hoffnung auf eine elaborierte, fundierte Analyse
des Kulturenkonflikts. Weil Berg nun aber augenscheinlich primär von den kindischen Machtspielchen der Männer in Uniform fasziniert ist und diese als Plattform für kerniges Sprücheklopfen nutzt,
muss es auf dem seriösen Gebiet bei Ansätzen blieben. Ein zweites «Syriana» ist «The Kingdom» also mitnichten. Und anders als jüngst Michael Winterbottoms Afghanistan-Drama «A Mighty Heart»
interessiert sich das Drehbuch von Matthew Michael Carnahan, dem hiermit unglücklich debütierenden Bruder von «Narc»-Regisseur Joe Carnahan, auch nicht im Detail für die Fahndung nach den
Missetätern und deren Funktionen. Das wäre zwar nicht weiter schlimm, zumal dieses Vorgehen bei Winterbottom ja nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat; die Frage ist dann aber einfach, wofür
man sich hier eigentlich interessieren soll. Dies umso mehr, als auch Actionfreunde nur im Schlussteil auf ihre Kosten kommen. In der realistischen, wackligen Inszenierung von Berg, der sich bei
Produzent Michael Mann einiges abgeschaut hat, fliegt nach dem Schock zum Auftakt nämlich über eine Stunde lang gar nichts mehr in die Luft. Deswegen zu glauben, «The Kingdom» sei ein Muster an
Subtilität, wäre jedoch irrig. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Film, der im Niemandsland zwischen explosiver Unterhaltungsware und gut gemeinter Gegenwartsanalyse verloren zu gehen
droht und den nur sporadische, vornehmlich inhaltliche Geistesblitze wie etwa jener ganz zum Schluss gerade noch so zurück ins Plus holen können.