von Sandro Danilo Spadini
Immer wieder die vermaledeite Nummer 23. Wenn man nur genau genug hinschaut, findet man sie einfach überall. 23 Chromosomen gibt jeder Elternteil seinem Kind weiter. Mit 23 Messerstichen wurde
Julius Caesar ermordet. Am 23. Dezember 2012 wird laut den Mayas die Welt untergehen. Die «Titanic» sank am 15.4.1912 (1+5+4+1+9+1+2=23). Das World Trade Center wurde am 9.11.2001
(9+11+2+0+0+1=23) zerstört. Kurt Cobain wurde 1967 (1+9+6+7=23) geboren und ist 1994 (1+9+9+4=23) gestorben. David Beckham trägt bei Real Madrid das Trikot mit der Nummer 23. Und 23 Buchstaben
enthalten zusammengezählt die Namen Joel Schumacher und Jim Carrey. Letztere beiden Herren haben sich nun erstmals in ihrer wechselvollen Karriere zusammengetan und wirken als Regisseur
respektive Hauptdarsteller des Verschwörungsthrillers «The Number 23».
Bedrohliche Dimensionen
Carrey spielt darin den zunächst noch sehr unverkrampften Jedermann Walter Sparrow, verheiratet mit der schönen Agatha (Virginia Madsen), Vater eines aufgeweckten Teenagersohns (Logan Lerman),
Hundefänger von Beruf und aus Berufung (Ace Ventura, ick hör die trapsen). Wie es in Filmen dieser Art halt gerne das Schicksal von solch betont unbescholtenen Normalos ist, erhält sein vormals
gemütliches Leben alsbald eine höchst ungemütliche Komponente. Als ihm Frau Gemahlin zu seinem 32. ein zerfleddertes, selbst verlegtes Büchlein mit dem Titel «The Number 23» schenkt, beginnt sich
nämlich allmählich der Wahnsinn in Walters Hirn auszubreiten und die titelgebende Zahl in seinem Kopf festzusetzen. Nirgendwo kann unser armer Held fortan seinen Blick oder seine Gedanken mehr
hinschweifen lassen, ohne auf die 23 zu stossen. In relativer Kürze ist er von einer gross angelegten Verschwörung überzeugt und zeigt ein Krankheitsbild, das Psychologiestudierenden unter dem
Namen Apophänie bekannt sein könnte – eine Art Psychose, die als «grundloses Sehen von Verbindungen, begleitet von der besonderen Empfindung einer abnormen Bedeutsamkeit», definiert wird. Item,
Walter sieht jedenfalls ganz viele Sachen und befindet sich spätestens dann endgültig in Teufelsküche, wenn ihn die 23 auf die Spur eines nicht restlos geklärten Mordfalls bringt.
Formal furios
Anders als Hans-Christian Schmids Thriller «23» von 1998, mit dem das hier nur das Grundthema gemein hat, bewegt sich «The Number 23» mit dieser Wendung schrittweise weg vom Grossen – der so
albernen wie faszinierenden Verschwörungstheorie von Robert Anton Wilson («The Illuminatus!») – und hin zum Kleinen: zu einem konventionellen Thriller mit mystischen Elementen, der gerade in der
optisch und erzählerisch an «Sin City» erinnernden und bildsprachlich klar vom Übrigen abgegrenzten Parallelhandlung ungemein schick ausschaut. Hier, in der «noirigen» Visualisierung von Walters
Lesestoff, wo die Figuren aus der Haupthandlung in neuem Gewand gedoppelt werden, ist Schumacher ziemlich experimentierfreudig drauf und operiert mit einer ganzen Palette von
Verfremdungstechniken. Beim stilistisch gleichfalls ansprechenden und in recht gemächlichem Tempo ins Bild gesetzten grossen Rest orientiert er sich derweil wie weiland im hanebüchenen Thriller
«8mm» mehr am Kollegen David Fincher («Seven»). Über weite Strecken nur leidlich zu kaschieren vermögen Schumachers formale Furiositäten und Fantasien indes die vom britischen Drehbuch-Debütanten
Fernley Phillips zu verantwortenden inhaltlichen Unebenheiten. Während die meisten Logiklöcher durch den finalen Twist einigermassen befriedigend gefüllt werden, wird dank einer primär vom
differenziert agierenden Jim Carrey beigesteuerte Prise Humor letztlich aber auch der hohe Absurditätsquotient des Ganzen entschärft. Ob Publikumsgelächter auch wirklich intendiert war, bleibt in
Einzelfällen zwar fraglich. Doch mit einem gewissen Wohlwollen darf man annehmen, dass die Macher dies alles auch nicht gar so ernst meinen und sich also ganz ungeniert von einem ordentlich
spannenden Film unterhalten lassen.