von Sandro Danilo Spadini
Will Smith sei der grösste männliche Filmstar der Gegenwart, der nicht Tom heisse, verkündete unlängst das US-amerikanische «Premiere»-Magazin. Eine Aussage, die zunächst erstaunen mag.
Betrachtet man indes die nackten Box-Office-Zahlen, so findet die These von Will dem (fast) Grössten nachgerade betonharte Untermauerung. Nur eine überdimensionale Starpower wie jene Smiths macht
es nämlich möglich, dass ein Durchschnittsstreifen wie «Hitch» rund 368 Millionen Dollar einspielt und damit zu den 100 ertragreichsten Filmen aller Zeiten gehört. Oder auch, dass das neuste Werk
des vormaligen Prinzen von Bel Air, das filmisch wenig spektakuläre und anderweitig recht fragwürdige Drama «The Pursuit of Happyness», in den USA in nur drei Wochen 124 Millionen Dollar in die Kassen gespült hat.
Ganz unten
Eindrückliche Zahlen sind das. Zahlen, die auch den Mund des dem genuin amerikanischen Traum von den grossen Reichtümern hinterherhechelnden Chris Gardner wässrig machen dürften. Der als
scheiternder Vertreter beginnende und als aufstrebender Broker endende Gutmensch ist der Held im US-Debüt des Italieners Gabriele Muccino («L’ultimo bacio»), das eine märchenhaft anmutende, aber
von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte um Entbehrungen und Willensstärke zu Beginn der turbokapitalistischen Reagen-Ära erzählt. Wie Millionen anderer «Reaganomics»-Opfer in den eigenen
finanziellen Abgrund und auf den obszönen Wohlstand der Yuppies starrend, versucht Chris im San Francisco des Jahres 1981 unter immer unmenschlicheren Bedingungen sich und seine Familie über
Wasser zu halten. Das Geschäft läuft jedoch schlecht, ein paar berufliche Dummheiten tun ihr Übriges, und die konstant enervierte Frau (Thandie Newton) lässt ihn und den 5-jährigen Sohn (süss:
Smiths Filius Jaden) darob endlich sitzen. Der Tiefpunkt ist damit aber noch nicht erreicht. Ganz unten kommt Chris erst an, wenn er samt Kind aus der Wohnung geschmissen wird und für eine lange
Nacht buchstäblich auf der Strasse steht. Doch nun heisst es «Jetzt erst recht», und der Rest ist einigermassen wahre Geschichte.
Zynische Moral
Wie im Meisterwerk «Ricordati di me» beweist Muccino bei der Schilderung des Falls und späteren Aufstiegs seiner mit Ehrgeiz und Bauernschläue zu Potte kommenden Hauptfigur ein ausgezeichnetes
Auge für Details. Teils subtil, teils plakativ lässt er Zeugen des Zeitgeists aufmarschieren und schafft so ein akkurates Sittenbild der skrupellosen Achtzigerjahre. Wenigstens in
nichtamerikanischen Gefilden befremdlich wirkt dabei freilich die Grundhaltung der Filmemacher zum Gezeigten. Anstatt die ausbeuterischen Bedingungen und sozialen Ungerechtigkeiten anzuprangern,
wird hier wie zum Hohn der dreiste «Friss oder stirb»-Tenor als Leitmotiv für die Hymne auf die gesellschaftlichen (Miss-)Verhältnisse in den USA genommen. Jeder kann es schaffen, lautet die
Botschaft, wobei geflissentlich verschwiegen wird, dass nicht jeder so zäh und klug sein kann wie Chris Gardner. Was dessen Motive betrifft, entsteht ebenfalls ein ziemlich zwiespältiger
Eindruck. So ist das titelgebende Thomas-Jefferson-Zitat aus der Unabhängigkeitserklärung vom Streben nach Glück für ihn nicht einfach die Idee, sich und seinem Sohn ein anständiges Leben zu
ermöglichen. Glück setzt er vielmehr mit Ferrari, Villen und sonstigem Luxus gleich. Wenn also die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Verlierern und Gewinnern aufgezeigt wird, geht es nicht
etwa darum, dass diese extremen sozialen Unterschiede vielleicht ungerecht wären. Nein, es geht darum, wie man denn auf die sonnige Seite der Gewinner kommt. Recht eigentlich und entgegen den
Intentionen der Filmemacher ist es so zuvörderst die Kehrseite des amerikanischen Traums, die hier sichtbar wird. Und nur einem in formidabler Form und mit trauter Jimmy-Stewart-Gutmütigkeit
aufspielenden Will Smith ist es geschuldet, dass einem die geradezu zynische Moral der Geschicht nicht noch saurer aufstösst und dies alles letztlich ganz im Gegenteil sogar durchaus geniessbar
wird.