von Sandro Danilo Spadini
Es ist gut möglich, dass Jungregisseur Jonathan Levine in seinem verspätet hierzulande eintreffenden Debüt «All the Boys Love Mandy Lane» die Genrekonventionen des Teeniehorror-Films subversiv hat untergraben wollen. Die Wahrscheinlichkeit
dieser These wird freilich primär erhöht durch einen neugierigen Blick auf seinen heuer in Sundance mit dem Publikumspreis prämierten Zweitling «The Wackness» und weniger durch die paar
unaufregenden motivischen und inszenatorischen Abweichungen im aktuellen Werk. Dieses bietet nämlich entgegen der (unterstellten) Intention der Macher per saldo meist Routine und dort, wo von
dieser abgelassen wird, auch nur unwesentlich Spannenderes. Die ersten rund 40 der etwas mehr als 80 Minuten Spielzeit werden dabei recht unnötigerweise darauf verwendet, uns mit dem Milieu
vertraut zu machen. Obsolet ist dies insofern, als bei der langfädigen Einführung in die Welt der hier im Fokus rumlungernden High-School-Kids nur sattsam Bekanntes im Angebot steht und die Regie
ganz offensichtlich nicht das geringste Interesse an den Figuren hat. Das im Schatten der engelsgleich-unbefleckten Titelfigur stehende Personal wird denn auch ausschliesslich aus den ewigen
Stereotypen rekrutiert, zu deren präziserer Beschreibung sich das angelsächsische Idiom anbietet: also aus Rich Kids, Hot Chicks, Pot Heads, Prom Queens, Quarterbacks, Cheerleaders, Nerds und
Bitches.
Tod im Nirgendwo
In dieser Ansammlung von primitiven Jungs und profanen Mädels, die sich gegenseitig nur als Fleisch betrachten, sticht ebendiese Mandy Lane (Amber Heard) quasi als Filet heraus. Alle wollen sie,
niemand kriegt sie, und zu den Boys, die Mandy Lane lieben, gehören fraglos auch Regisseur Levine und sein Kameramann Darren Genet, welcher der Protagonistin gerne mit der Linse auf Po- oder
Brusthöhe nachstellt und auch nicht vor lüsternen Zeitlupen-Joggingsequenzen zurückschreckt. Derlei dürfte witzig gemeint sein, zielt aber wohl vornehmlich auf den darüber hinaus gewünschten
Effekt, dem Zuschauer den Mund wässrig zu machen werden und ihn so auf einer Stufe mit den Jungs im Film wiederfinden zu lassen. Obwohl Amber Heard gewiss der grösste Schauwert dieses Streifens
darstellt, versagt aber die Taktik der Regie nur schon deshalb, weil man sich eben gerade nicht auf einer Stufe mit diesen nichtsnutzigen Knallköpfen wiederfinden will. Die zwar sicher nicht
gerechte, aber in der sozusagen mittelalterlich-katholischen Logik des Genres folgerichtige Strafe erfährt eine endlich zur Fünfergruppe komprimierte Jugendgesellschaft, als sie sich mit der
grenzbiederen Mandy im Gepäck zu einem Ausflug auf eine texanische Ranch aufmacht. Sich ganz unschuldig zum gemütlichen Kiffen, Koksen und Saufen mitten im Nirgendwo einfindend, werden sie bald
mit Grauslig-Blutigem und dem für all verantwortlich zeichnenden Psychopathen im obligat unschicken Mantel konfrontiert.
Weitgehend ereignislos
Selbst nachdem der Killer, dessen Identität früh preisgegeben wird, irgendwann dann doch noch aufgetaucht ist, bleibt das Ganze abgesehen von einigen optisch-ästhetischen Gefälligkeiten und einem
passablen Schluss-Twist freilich über weiteste Strecken sehr ereignislos. Ab und zu wird mal der eine oder die andere abgemurkst, doch bleibt dies von untergeordnetem Interesse, zumal sich Skript
und Regie zuvor alle Mühe gegeben haben, ihre Figuren als widerlich und also entbehrlich abzubilden. Zum Glück lässt aber Levine seiner Verachtung für die Figuren nicht ganz freien Lauf und hält
sich gleichsam unzeitgemäss immerhin in Sachen Blutrünstigkeit weitgehend zurück. Genrefreunde werden darob wie ob des ganzen Rests indes eher nicht an den Stuhl gefesselt, und auch alle anderen
dürften nach Filmende wohl keinen Termin bei der Maniküre brauchen. Für Aufregung sorgen allenfalls gelegentliche Dümmlichkeiten. Die Szene etwa, in der zwei der gerade noch lebenden Jugendlichen
nur ganze 30 Sekunden nach dem Entdecken der Leichen ihrer «Freunde» anfangen rumzuknutschen, hat fast schon einen Preis verdient. Oder soll das nun wieder subversiv sein?