Viermal Familienkrawall unter dem Christbaum

Erst am Ende suhlt sich die starbespickte Weihnachtskomödie «Four Christmases» im bekannt Seichten. Zuvor jedoch wird gerne auch mal zum komödiantischen Zweihänder gegriffen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Was uns Hollywood in den letzten Jahren so unter den Baum legte, hatte meist den Attraktivitätsgehalt eines vom achtlosen Onkel zum dritten Mal in Folge geschenkten Wimpels vom Lieblingsfussballverein des Bruders. «The Holiday» oder «The Family Stone» etwa hiessen diese bald zuckersüssen, bald moralinsauren, wiewohl hübsch starverpackten Weihnachtsstreifen, die das eben noch erwartungsvoll hämmernde Herzen ob barer Entrüstung für einen Moment stillstehen liessen. Dieses Jahr jedoch ist die Zuckerbäcker-Abteilung der Traumfabrik mal vom (Un-)Bewährten abgewichen und hat dem Nikolaus was Herbes in den Sack gesteckt – nichts ganz so Derbes wie damals mit «Bad Santa» zwar, aber doch einen veritablen Scherzartikel, der den misanthropischen Charme eines, nun ja, Furzkissens hat. Auf «Four Christmases» ist die heurige Weihnachtsgabe getauft worden, und sie darf als durchaus angenehme Überraschung bezeichnet werden.

Aufmarsch der Stars

Geklotzt wurde im Spielfilm-Regiedebüt des Dok-Filmers Seth Gordon («The King of Kong») vor allem wieder besetzungstechnisch. Vince Vaughn und Reese Witherspoon geben hier das unverheiratete und an potenzieller Elternschaft vorerst uninteressierte Paar Brad und Kate, das sich aufgrund widrigster Umstände statt im Urlaub auf den Fidschi-Inseln in der unangenehmen Lage befindet, den diversen Familienmitgliedern den eigentlich schon vermieden geglaubten Weihnachtsbesuch abstatten zu müssen. Da nun beider Eltern geschieden sind, wollen an einem einzigen Tag nicht weniger als vier Stippvisiten bewältigt werden; und da die liebe Verwandtschaft schon längst in globo einem nervtötenden Wahnsinn anheim gefallen ist, kann das ein sehr langer Tag werden. Das Publikum hingegen freuts, stehen bei den vier Familien-Reunionen doch Treffen mit den als Eltern von Brad und Kate eingespannten Oscar-Preisträgern Robert Duvall, Mary Steenburgen, Sissy Spacek und Jon Voight sowie mit Vince Vaughns Kumpel Jon Favreau, den beiden Country-Sängern Dwight Yoakam und Tim McGraw und schliesslich der vielseitig talentierten Newcomerin Kristin Chenoweth an. Mit einer Ausnahme haben deren Figuren alle die lästige Angewohnheit, mittels peinlichster Vergangenheitsenthüllungen ihr jeweils zu Besuch kommendes Familienmitglied in überaus ungünstigem Licht vor dem Partner erscheinen zu lassen, was letztlich auch nicht ganz spurlos an den beiden und deren Beziehung vorbeigeht. Die undankbarste Rolle bei diesem heiteren Sohn/Tochter/Bruder/Schwester-Bashing hat ausgerechnet der grosse Jon Voight gefasst, dem als erwähnte Ausnahme in den unvermittelt einen rührseligen Paar-Selbstfindungstrip einläutenden Schlussminuten die filmtechnisch absolut entbehrliche Aufgabe des weisen Ratgebers obliegt. Kein Wunder, sprüht er nicht gerade vor Spielfreude, derweil der Rest der Truppe mit gehörigem Spass bei der Sache zu sein scheint.

Humorige Beglückungen

In den traditionsbewussten USA wurde dieser multiple Familienkrawall, eine Art Vierfach-Variante von «Meet the Parents», sehr unterschiedlich aufgenommen. Während sich die einen diebisch über das Abweichen vom ranzigen Schmalz-und-Zucker-Schema der Zurück-zu-Hause-für-die-Festtage-Filme freuten, sahen andere in «Four Christmases» einen weiteren Beleg für den unheiligen «War against Christmas», von dem der ekelhafte konservative Fox-Schreihals Bill O’Reilly schon länger schwadroniert. Übermässig zu echauffieren braucht sich freilich niemand, zumal hier keinerlei subversiv an christlichen Werten rührende Tendenzen auszumachen sind. Vielmehr könnte man sich bei allen bereitgehaltenen humorigen Beglückungen etwas krämerisch darüber beklagen, dass Regisseur Gordon und sein Team vielleicht öfter als nötig zum komödiantischen Zweihänder greifen, um sich letztlich dann doch noch im Seichten zu suhlen. Es wirkt dies wie ein unfreiwilliges und also unmotiviertes Zugeständnis an die Traditionen, ein fauler Kompromiss mit dem Kommerz und den Konventionen. Indes wird man die finale Unbill überleben – schliesslich hat man zur Weihnachtszeit im Kino schon ganz anderes und weit Unlustigeres durchgestanden.