Ein Müllmann für das Kapital und seine Anwälte

Superstar George Clooney war nie besser als in der komplexen Titelrolle des mit allem Recht der Welt siebenfach Oscar-nominierten Wirtschaftsthrillers «Michael Clayton».

 

von Sandro Danilo Spadini

Er ist einer, der weiss, wo sein Platz ist in dieser Welt der dunklen Diskretion und der dicken Dollarzeichen. Und es ist Michael Clayton anzusehen, dass ihm diese Welt zwar nicht gefällt, er aber nicht mehr vorhat, sie zu verändern. Resigniert wirkt er; matt scheint er; pragmatisch gibt er sich. Michael Clayton wirkt, scheint, gibt sich, doch was er wirklich ist, weiss nur er. Enigmatisches haftet nur schon seinem Job an. Eigentlich ist Michael Clayton Anwalt, seit 17 Jahren auf der Lohnliste einer New Yorker Kanzlei mit Weltruf. Faktisch jedoch ist er ein Müllmann, ein Ausputzer, wie er es nennt. Wenn ein Klient Mist baut, dann wird er gerufen. Er putzt das dann aus, putzt auf, putzt weg. Und dann verschwindet er. Nichts wird auf sein Tun hindeuten. Niemand wird etwas erfahren. Kein Makel wird zurückbleiben. Michael Clayton wird schweigen.

Bestmögliches Resultat

Um diesen von einem gesundheitlich angeschlagenen George Clooney schmerzhaft grandios gespielten Michael Clayton in seiner stoischen Professionalität zu erschüttern, muss man sich schon etwas ganz Übles leisten – etwas von der Sorte, wie es Wirtschaftskapitäne von Weltkonzernen bisweilen im richtigen Leben und gerne auch in kritischen Hollywood-Filmen tun. In Filmen wie «Silkwood», «Erin Brockovich» oder «A Civil Action» also, allesamt so würdige wie prominente Vertreter dieses Genres und doch keiner von ihnen auch nur annähernd auf Augenhöhe mit Tony Gilroys Regiedebüt «Michael Clayton». Denn was der bisher nur schreibenderweise (etwa bei der «Bourne»-Reihe) in Erscheinung getretene 51-jährige New Yorker mit diesem stillen und sehr ernsten Thriller erschaffen hat, ist schlicht das Maximum, was man aus diesem Genre herausholen kann. Bahnbrechend neu ist es, zumal in der Grundkonstellation, indes nicht. Auch hier steht ein Konzern am Pranger, der eine Milliarden-Sammelklage am Hals hat, weil er in primitivem Profitstreben Hunderte von Menschen vergiftet hat. Anders ist bei «Michael Clayton» derweil, dass die Sache nicht aus der (emotionalen) Sicht der Opfer, sondern jener ungleich kühleren und letztlich umso verstörenderen der Täter und deren Anwälte geschildert wird. Michael wird denn auch nicht gerufen, um die Sauerei des von seiner Kanzlei betreuten Düngerfabrikanten aus-, auf- und wegzuputzen, sondern um sich dessen Verteidigers (Tom Wilkinson) anzunehmen, der nach einem Nervenzusammenbruch die Seite zu wechseln gedenkt. Als langjähriger Weggefährte, ja Freund des dergestalt Verwirrten und Geläuterten steckt Michael nun im Clinch, doch gibt es hier auch Leute ohne Skrupel. So etwa die Konzernmanagerin Karen Crowder (Tilda Swinton), eine zutiefst unsichere, überforderte Karrieristin, die jegliche Orientierung verloren hat und der jedes – jedes – Mittel recht ist, um Schaden von ihren Chefs abzuwenden.

Figuren im Fokus

Wenn man sich diese Frau Crowder und ihresgleichen genauer anschaut und aufmerksam ihrem vulgären Wirtschaftskauderwelsch lauscht, mutiert «Michael Clayton» vom Justizthriller zum Horrorfilm mit Kapitalismuszombies und Konzernlakaien – ein pessimistisches wie realistisches Schreckenszeugnis, dessen Wirkung durch den nur wenig anklagenden oder zynischen, vielmehr recht nüchternen Ton sowie die gemeine Gewöhnlichkeit der Übeltäter noch verstärkt wird. Die ungeheure Kohärenz von Regie wie Skript ist derweil beispielhaft, wobei gerade auch Aussparungen zur Verdichtung beitragen und sich der ohnehin weniger am konkreten Fall als vielmehr am System an sich interessierte Plot mehr von den Figuren denn von komplizierten Verschwörungen treiben lässt. Dank der punktgenauen, in Michael-Mann-Manier glänzend elegant gehaltenen Inszenierung lenken auch die ins Private zielenden Intermezzi indes nicht vom Wesentlichen ab – die Sache bleibt glasklar und brillant. Das hat auch die Academy so gesehen und «Michael Clayton» gleich siebenmal für den Oscar nominiert. Dass letztlich nur Tilda Swinton gewonnen hat, hat einzig mit der starken Konkurrenz zu tun. Und auch eingedenk dieser wäre es vertretbar gewesen, hätte «Michael Clayton» mehrere Trophäen mitgenommen – durchaus auch jene für den besten Film des Jahres 2007.