Dämonen der Vergangenheit suchen den Vatikan heim

Biedere Inszenierung, holpriges Drehbuch, blasse Darsteller: Die aufwendige Dan-Brown-Verfilmung «Angels & Demons» ist eine Enttäuschung auf allen Ebenen.

 

von Sandro Danilo Spadini

«Never change a winning team», hat man sich bei der Fertigung von «Angels & Demons», dem kinematografischen Nachfolger und literarischen Vorgänger des Jahrhundert-Bestsellers «The Da Vinci Code», wohl gedacht – und dabei geflissentlich ignoriert, dass just die Sache mit dem «Winning» so eindeutig auch wieder nicht ist. Allenfalls Solides erblickte nämlich vor genau drei Jahren das Licht der Kinos, nachdem sich fragliches Team des umstrittenen Stoffs angenommen hatte. Wenn Regisseur Ron Howard, die Produzenten Brian Grazer und John Calley, Drehbuchautor Akiva Goldsman und Hauptdarsteller Tom Hanks nun also ihre nächste gemeinschaftliche Dan-Brown-Adaption präsentieren, drängt sich recht eigentlich eine andere Floskel auf: «Jeder hat eine zweite Chance verdient.»  Wer sich auf diesen sympathischen Standpunkt stellt, wird für seinen Langmut freilich bitter bestraft. 

Vatikan im Krieg

Fraglos ist die Vorlage (auf Deutsch als «Illuminati» erschienen) diesmal weit weniger stimmig. Über weite Strecken gleicht Dan Browns Buch einem Rom-Reiseführer: Von Kirche zu Kirche wird man geführt, wenn der auf Symbolforschung spezialisierte Harvard-Professor Robert Langdom mit der Cern-Forscherin Vittoria Vetra sich auf die Suche nach vier entführten Papstkandidaten («Preferiti») macht. Nebenher erfährt man manch Wissenswertes über die Kulturgeschichte Roms und einiges Verschwörerisches über die Mechanismen des Vatikans. Im Zuge letzterer Ausführungen taucht auch der Geheimbund der Illuminati auf. Die darin vereinten Wissenschaftler wurden einst vom Vatikan ihres rein vernunftgesteuerten Tuns wegen als ketzerische Konkurrenten der Kirche gebrandmarkt und schon vor Urzeiten ausgerottet. Hat man jedenfalls gemeint. Denn nun scheinen sie zurück zu sein und späte, aber bittere Rache zu üben. Nicht nur die «Preferiti» haben sie in ihre Gewalt gebracht, sondern auch die am Genfer Cern hergestellte Antimaterie, die in den falschen Händen astronomische Zerstörungen bewirken kann und zu ebendiesem Zwecke gegen den Kirchenstaat eingesetzt werden soll.

Verlorene Spannung

Der Vatikan hat an alledem mindestens so wenig Freude gehabt wie am «Da Vinci Code», und entsprechend konnte man sich das Einreichen einer Drehgenehmigung für die Originalschauplätze schon mal sparen. Stattdessen hat man manches nachgebaut, manches am Computer fabriziert. Das ist natürlich suboptimal, aber nicht das Kardinalproblem des Films. Dieses lässt sich freilich ebenso wenig eruieren wie ein Hauptschuldiger – ein «Mea Culpa» stünde nämlich sämtlichen Beteiligten gut an. Regisseur Howard (zuletzt «Frost/Nixon») etwa ist rein gar nichts eingefallen. Seelen- und ideenlos ist seine Inszenierung, die mit den immer gleichen weitläufigen Kamerafahrten protzt und so vergeblich Grösse und Dramatik zu heischen sucht. Um das Geheimnisvolle anschaulich zu machen, ist ihm  ebenfalls nur genau eine Taktik in den Sinn gekommen: ein in einen staubig-halbdunklen Raum einfallender Lichtstrahl. An Biederkeit ist das kaum zu überbieten, und mindestens eine Teilschuld trifft Howard auch dafür, dass die trotz Unannehmlichkeiten aller Art doch sehr hohe Spannung des Buches nicht in den Film hinübergerettet worden ist. Schlecht angeleitet von einem selbst orientierungslosen Skript, verzettelt er sich auf der Schnitzeljagd durch Rom ein ums andere Mal und verliert dabei das grosse Ganze aus den Augen. So geht bei der Suche nach den «Preferiti» die Bedrohung des Vatikans durch die Antimaterie zwischenzeitlich völlig in Vergessenheit – was mit einfachen Mitteln zu verhindern gewesen wäre. Doch dafür und für vieles andere hat offenbar die Zeit gefehlt. Ungemein gehetzt wirkt der Film, wobei das hohe Tempo mitnichten Dramatik erzeugt, sondern vielmehr den Eindruck einer Nummernrevue evoziert. Spannung kommt so nur sehr sporadisch auf, vornehmlich in den längeren Szenen, in denen das Potenzial Howards durchaus aufflackert.

Blasser Tom Hanks

Die Faktenfülle der Vorlage elegant in die Filmversion zu integrieren, war derweil gewiss eine veritable Herausforderung. An ihr sind Akiva Goldsman und der zuletzt wie Howard noch formstarke David Koepp («Ghost Town») gescheitert. Zwar haben sie gegenüber dem Buch einige sinnvolle Abkürzungen genommen und lassen das Publikum auch nicht ratlos zurück, doch wie schon im «Da Vinci Code» geht das oft auf Kosten von holprigen Dialogen. Der frisurtechnisch stark verbesserte Tom Hanks kann da einem fast leidtun; mit einer rundum blassen Vorstellung gibt er den Autoren die Quittung für die teils haarsträubenden Zeilen, zu deren Rezitation er genötigt wird. Die Besetzung ist ohnehin ein weiteres Problem. Schon der Vorgänger hat sich in dieser Hinsicht nicht mit Originalität hervorgetan und gerade bei den europäischen Darstellern sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner mit Hollywood beschränkt. Gleiches gilt zum grossen Teil für «Angels & Demons» mit dem alten Schweden Stellan Skarsgard als Chef der Schweizergarde und dem längst pensionsreifen Armin Müller-Stahl als Kardinal Strauss. Etwas vorteilhafter gebärden sich derweil die sprachgewandte Israelin Ayelet Zurer als Vittoria Vetra und Ewan McGregor in der undurchsichtigen Rolle des dem Papst assistierenden Camerlengo. Doch ihnen bleibt in dieser Hetzjagd durch Rom kaum Raum zur Entfaltung. Wirklich überzeugend an «Angels & Demons» ist so im Grunde nur, dass man gegen Schluss, wo das Buch sich im Bombast verliert, ein wenig auf die Bremse tritt und im Vergleich zur «Da Vinci Code»-Adaption generell das Pathos zurückgefahren hat. Gewonnen hat das Howard-Team damit indes nicht sonderlich viel.