Was tun, wenn die Kinderlein kommen?

Der britische Regiemeister Sam Mendes hat mit «Away We Go» eine geistreiche und zeitgeistige Komödie übers Elternwerden gedreht, die frisch ist wie ein Debütfilm.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wie vieles andere auch ist die Sache mit dem Kinderkriegen und dem Kinderhaben in unserer Gesellschaft etwas komplizierter als auch schon. Heutzutage gilt: Elternschaft ist Wissenschaft – der Fragen sind viele, der Antworten auch. Die ungleich vertieftere Auseinandersetzung mit dem Thema ist jedenfalls populär wie nie, wovon etwa die just dieser Tage erfolgte Lancierung eines neuen Magazins für Jungeltern zeugt. Was Wunder also, kümmert sich auch das trendfühlige Hollywood seit Längerem vermehrt um die an Papa und Mama (in spe) gerichteten Tipps und Tricks sowie die Tücken mit selbigen – dies freilich bevorzugt auf ironische Art. Ebendies, aber nicht nur dies tut nun Starregisseur Sam Mendes bei der meist heiteren, bisweilen ernsten Komödie «Away We Go», dem bislang geistreichsten und zeitgeistigsten Kinobeitrag zum Thema moderne Elternschaft.

Doppelte Suche

Basierend auf einem brillanten Skript des renommierten Literaten-Ehepaars Dave Eggers und Vendela Vida, berichtet der Film episodenhaft von der Nordamerika-Odyssee der werdenden Eltern Burt (John Krasinski aus «The Office») und Verona (Maya Rudolph aus «SNL»). Ausgangspunkt der Reise ist Colorado, wo das unverheiratete und noch nicht ganz «erwachsene» Paar unweit von Burts Eltern (Jeff Daniels und Catherine O’Hara) in einer Bruchbude haust. Die unvermittelte Ankündigung der Eltern, temporär nach Belgien zu ziehen, gibt das Signal zum Aufbruch. Burt und Verona wollen jetzt nämlich nicht alleine sein, wollen vertraute Gesichter um sich haben in dieser für sie schwierigen Zeit. Denn Burt und Verona sind plötzlich geplagt von Unsicherheit, namentlich jener der existenziellen Sorte, mithin von Angst. Wärme und vielleicht auch Rat erhoffen sie sich von Freunden und Verwandten. Und dass diese wild über den Kontinent verstreut leben, kommt ihnen durchaus zustatten – schliesslich planen sie ihr auf Amerikas Nebenstrassen bestrittenes «Cross-Country» sowohl als innere Suche nach dem perfekten Familienentwurf als auch als äussere Suche nach dem passenden Ort für diese Familie zu nutzen. Was der friedliebende Träumer Burt und die im sechsten Monat schwangere und entsprechend gelaunte Verona auf ihren Stationen finden werden, sind dann erhellender- wie verwirrenderweise nette Städte und die unterschiedlichsten Konzepte modernen Familienlebens. In Arizona treffen sie auf alkoholvernebelte Rabeneltern (die sensationelle Allison Janney und Jim Gaffigan), in Wisconsin auf übergeschnappte Esoteriker (Maggie Gyllenhaal und Josh Hamilton), in Montreal auf vierfache Adoptiveltern (Melanie Lynskey und Chris Messina), in Miami auf einen sitzen gelassenen Alleinerziehenden (Paul Schneider). Und immer wieder flirten Burt und Verona dabei mit dem Desaster, wie es weiland Ben Stiller und Patricia Arquette in dem fast gleichnamigen Film getan haben.

Mehr als eine Fingerübung

Dies, der Wortwitz des Skripts und die zum Schaulaufen der Nebendarsteller gereichende Freak-Parade garantieren höchstes Humorvergnügen; die perfekte Chemie zwischen dem sympathischen Protagonisten-Duo liefert derweil Glaubwürdigkeit, gerade in den zusehends länger werdenden ernsten Momenten. Ganz anders als in Mendes‘ so kunstvollem wie schwerem Ehedrama «Revolutionary Road», das ebenfalls ein junges Paar auf der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt im Zentrum hatte, überwiegt hier gleichwohl das Leichte, Verspielte. Recht eigentlich wirkt «Away We Go» frisch und enthusiastisch wie ein Debütfilm. Und in der Tat ist dieses ohne die ganz grossen Stars auskommende und von einem herrlichen Singer-Songwriter-Soundtrack begleitete Road-Movie für Mendes eine Art Neunanfang. So hat er hier nicht nur erstmals seit «American Beauty» ein Originaldrehbuch statt einer Adaption verfilmt; auf allen Ebenen erkennbar hat er überdies ein neues, jüngeres Produktionsteam um sich geschart, das ihm laut eigenem Bekunden dabei half, sich von Gewohnheiten zu lösen. Das Ergebnis ist denn auch weit mehr als eine Fingerübung. Vielmehr kann es sich fast mit den anderen Meisterleistungen dieses Sam Mendes messen.