Wo es jeder faustdick hinter den Ohren hat

In der raffinierten wie eleganten Krimikomödie «Duplicity» begeben sich Julia Roberts und Clive Owen auf Betriebsspionage und harmonieren dabei ganz wunderbar.

 

von Sandro Danilo Spadini

Früher halfen sie die Welt zu retten und haben Geheimpapiere über Raketenabwehrsysteme und dergleichen geklaut, sie für die amerikanische CIA, er für den britischen MI6. Heute helfen Claire Stenwick (Julia Roberts) und Ray Koval (Clive Owen) die Welt schöner zu machen und mopsen geheime Formeln für Kosmetika oder Shampoos. Der Wechsel in die Privatwirtschaft sollte den beiden eigentlich ein ruhigeres Leben mit höherem Einkommen bescheren. Doch längst haben Claire und Ray gecheckt, dass hier mit ähnlich harten Bandagen gekämpft wird und sie jederzeit hellwach sein müssen. Schliesslich herrscht Krieg zwischen den beiden multinationalen Megakonzernen Burkett & Randle und Equikrom und im Speziellen zwischen deren CEOs (Paul Giamatti und Tom Wilkinson). Und deshalb unterscheidet sich dieses Katz-und-Maus-Spiels namens Betriebsspionage in Zutaten und Dekorationen auch nur marginal vom staatlichen Dienst im Geheimen: Die Schauplätze sind glamourös und international, die Ausrüstung ist auf dem technisch neusten Stand, die Rhetorik stammt aus der alten Donald-Rumsfeld-Schule, und die Fronten sind alles andere als eindeutig geklärt. Wer hier wen reinlegt, ist denn auch die Kardinalfrage, die bis zum Schluss manch verblüffende Antwort hervorbringt. Vorderhand klar ist derweil dies: Claire und Ray werden vom selben Konzern beschäftigt, er als Sicherheitschef, sie als Spitzel bei der Konkurrenz. Und: Ihre Wege haben sich vor Jahren schon mal gekreuzt. Auf einer Cocktail-Party. Und sodann im Bett. Damals hat sie ihn reingelegt…

Alte Schule

Die Machenschaften des Kapitals scheinen «Duplicity»-Drehbuchautor und -Regisseur Tony Gilroy brennend zu interessieren. Im Vergleich zu seinem späten inszenatorischen Debüt «Michael Clayton» (2007) hat der 52-jährige Routinier-Schreiberling hier aber komplett von düster auf sonnig geschaltet. Das oft lichtdurchflutete Bild korrespondiert dabei mit dem heiteren Ton, in welchem er seine beiden Stars Nettigkeiten austauschen lässt; und mit den exquisiten Schauplätzen und den lässig dazwischengeschalteten Freiräumen schafft Gilroy ein ideales Ambiente für einen amourös aufgeladenen Spionagethriller alter Schule, für den sich in der goldenen alten Zeit gewiss auch ein Cary Grant und eine Katharine Hepburn hergegeben hätten. Man muss jetzt aber nicht wehmütig werden, denn Clive Owen und Julia Roberts vermögen diese Schuhe bei ihrem zweiten gemeinsamen Auftritt nach jenem schwierigen im Drama «Closer» nahezu perfekt zu füllen. Die Fetzen fliegen, die Funken sprühen, und der Schmäh rennt bei alledem Runde um Runde. Gloriose Auftritte verbuchen indes auch andere, allen voran die stets gern gesehenen Gäste Paul Giamatti und Tom Wilkinson. Gerade beim Tun ihrer Figuren wird deutlich, dass Gilroy nicht ausschliesslich die humoristische Karte spielen will. Zwar sind die von den beiden Haudegen gespielten Konzernoberhäupter stattlich überzeichnet, und vermutlich wird im Bereich der Betriebsspionage im richtigen Leben nicht mit ganz so schwerem Geschütz aufgefahren. Doch als gänzlich im Fabelgefilde angesiedelt will Gilroy seine Geschichte dann auch nicht verstanden haben. Vielmehr ist «Duplicity» nebst Spionage- und Liebesfilm vor allem auch Satire. Und als solche hat dieses De-luxe-Unterhaltungsprodukt durchaus was zu sagen.

Grosses Kino

Ohnehin ist das hier weit mehr als das cineastisch lässliche Vergnügen, als das es auf den flüchtigen Blick erscheinen mag. Die Erzählstruktur etwa ist grosses Kino: komplex zwar, aber nicht kompliziert. Mit chronologischen Brüchen und abrupten Szeneriewechseln spielt Gilroy mit dem Publikum, wie seine Protagonisten miteinander spielen. Immer wieder legt er falsche Fährten und jagt uns ins Bockshorn. Dabei gebärdet er sich aber nicht als mühsamer Schlaumeier, sondern ist derjenige grosse Meister, der nebst dem Geniestreich «Michael Clayton» schon die Drehbücher etwa zu «The Devil’s Advocate» oder zur Bourne-Reihe hervorgezaubert hat. Der Name Tony Gilroy darf deshalb in Zukunft gerne als Synonym für intelligentes Unterhaltungskino benutzt werden.