Was hat der Sohn da denn bloss nach Hause geschleppt?

Die heitere Komödie «Easy Virtue» bietet mit Hauptdarstellerin Jessica Biel etwas fürs Auge und dank Vorlagengeber Noël Coward mindestens ebenso viel fürs Ohr.

 

von Sandro Danilo Spadini

Bob Dylan hat mal ein poppiges Cover-Album aufgenommen, Ernest Hemingway hat mal ein Theaterstück geschrieben, Ingemar Stenmark ist mal die Kitzbüheler Streif runtergefahren, Bernd Schuster hat mal auf der Liberoposition gespielt – und Alfred Hitchcock hat mal die Noël-Coward-Komödie «Easy Virtue» inszeniert. 1928 war das, und Jahrzehnte später sollte sich Hitchcock im Gespräch mit Truffaut vor allem darüber aufregen, dass es in diesem fast vergessenen Stummfilm den schlechtesten Zwischentitel gab, den er je verfasst habe. Nichtsdestoweniger kann als einziges das letztere Experiment noch als einigermassen geglückt gewertet werden, verfeinerte der junge Hitchcock darin doch immerhin seine handwerklichen Fähigkeiten. Eine restlos taugliche Adaption brachte dieser Ausflug in fremde Gefilde trotz einiger hübscher und stilbildender motivischer Hitchcock-Elemente freilich nicht hervor. Und deshalb ist es auch nicht völlig verkehrt, dass sich nun, 80 Jahre später, wieder mal jemand des frühen Coward-Stoffs annimmt. Dieser jemand heisst Stephen Elliott und hat zuletzt vor geschlagenen neun Jahren hinter der Kamera gesessen. Damals hat er den ziemlich schrecklichen Thriller «Eye of the Beholder» kredenzt, der auch dem Hinterletzten klarmachte, dass an ihm kein Master of Suspense verloren gegangen ist.

Femininer Kleinkrieg

Im Komödienfach scheint der Australier indes ganz gut aufgehoben zu sein. Seine mit eigenen Dialogen angereicherte «Easy Virtue»-Version ist nämlich weit heiterer als jene Hitchcocks, wiewohl es zum Schluss mitunter auch (ein klein wenig) tragisch wird. Die stimmungstechnisch rundum beschwingte erste Stunde ist geprägt von einem humoristisch verhaltenen Beginn und einer zunehmend flüssigeren und flapsigeren Aufholjagd. Die Figureneinführung etwa ist noch eher umständlich: Zwei Frischvermählte, die Rennfahrerin Larita (Jessica Biel) und der englische Berufssohn John (Ben Barnes), machen seiner Familie auf deren stattlichem, aber heruntergekommenem Anwesen ihre Aufwartung. Die Mutter (Kristin Scott Thomas) ist entsetzt: Die Herzensdame ihres Sunnyboy-Sohns ist nicht nur eine echte Draufgängerin, sondern – um Gottes willen – auch noch Amerikanerin. Dem in zynischer Apathie verharrenden Vater (Colin Firth) ist das derweil einerlei – seit dem Krieg ist ihm eh alles wurscht. Johns intellektuell herausgeforderte Schwestern (Kimberly Nixon und Katherine Parkinson) schliesslich sind überfordert: einerseits fasziniert von Laritas Glamour, andererseits stramm auf Mutters konservativer Linie.

Musik als Trumpf

Beim ersten Abtasten zwischen Larita und ihrer neuen Familie ist auch Elliott noch etwas gehemmt. Man beginnt zu zweifeln, ob Cowards Stoff womöglich zu viel an Zunder eingebüsst hat, fragt sich, ob hier denn auch der richtige Regisseur am Werk war, und möchte schon nach Männern mit Bärten rufen, die jetzt die Kohlen aus dem Feuerchen holen. Doch dann, noch lange bevor es zu spät wäre, kriegt Elliott die Kurve und zündet die Gag-Lunte: Der englisch-amerikanische Kleinkrieg zwischen Schwiegermutter und -tochter gewinnt an Schärfe, der längst auf Laritas Seite übergelaufene Papa strotz nur so vor Sarkasmus, die Schwestern überbieten sich gegenseitig mit Debilitäten, und ein schnippischer Buttler (Kris Marshall) sammelt fleissig Sympathiepunkte. Garniert wird der verbale Schlagabtausch mit ein paar stilistischen Schmankerln und mit gewitzten Zwanzigerjahre-Versionen zeitgenössischer Popklassiker; unter der kundigen Anleitung von Maestro Marius De Vries («Moulin Rouge») dürfen hier auch einige der Stars ihre (gar nicht mal üblen) Singstimmen präsentieren. Damit und mit den peppigen Dialogen ist also für das akustische Wohl hinreichend gesorgt. Fürs visuelle Wohl ist unterdessen vor allem die obszön attraktive Jessica Biel besorgt. Sie hat schauspielerisch zwar nicht übermässig viel auf dem Kasten; eine gewisse Zahmheit und Zurückhaltung sind hier aber angezeigt. Schliesslich soll das alles nicht den Biss eines tollwütigen Tigers, sondern eines verstimmten Katers haben – eine lässig unterhaltende Sache eben.