von Sandro Danilo Spadini
Der kleine Junge aus «The Sixth Sense» hatte es im Vergleich zu Doktor Bertram Pincus (Ricky Gervais) ja fast noch einfach. Tote Menschen hatte zwar auch er gesehen, doch waren diese dann nicht
so ungemein lästige Zeitgenossen wie jene, die dem englischen Zahnarzt in den Strassen von Manhattan auf die Pelle rücken. Mitleid mag man mit diesem Pinkel indes nicht haben, ist das doch ein
Misanthrop sondergleichen, der für seine Mitmenschen, ob tot oder lebendig, nichts als Verachtung übrighat. Und auch Pincus selbst sollte sich nicht beschweren. Schliesslich kann er von Glück
sprechen, nach einer verpfuschten Routineoperation überhaupt wieder aufgewacht zu sein. Fast sieben Minuten lang hatte er sich während des Eingriffs nämlich schon im Jenseits getummelt – und in
diesen fast sieben Minuten muss mit dem Herrn Doktor irgendetwas Komisches geschehen sein. Denn seither sieht er eben tote Menschen, und zwar solche, die ihn, ausgerechnet ihn um Assistenz
bitten. Helfen soll der Griesgram ihnen beim Lösen von offen gebliebenen Problemen mit den Hinterbliebenen, auf dass sich die herumgeisternden Toten endlich beruhigt aus dem urbanen Limbus
verabschieden und an ihren Bestimmungsort wandern können. Selbstredend tut Pincus nichts dergleichen. Ihm sind die Sorgen dieser Quälgeister und ihrer Liebsten grundsätzlich egal. Dass er
schliesslich doch noch eine Ausnahme macht, hat denn auch ganz egoistische Gründe: Als ein selten aufdringlicher Ex-Bonvivant (Greg Kinnear) ihn angeht, doch bitte die ins Eheliche zu münden
drohende neue Beziehung seiner Witwe (Téa Leoni) zu ruinieren, überwindet Pincus seinen Widerstand rasch einmal – weckt doch die infrage stehende Dame längst verschüttet geglaubte Gefühle in
ihm.
Ohne jede Schwäche
Der hier wirkende Regisseur und Ko-Drehbuchautor David Koepp geniesst in der Branche seit fast 20 Jahren einen ausgezeichneten Ruf. Diesen hat er sich wohlgemerkt vor allem erschrieben, aktuell
mit den Skripts zum letzten «Indiana Jones» und zur neuen Dan-Brown-Verfilmung «Angel & Demons». Wenn sich Koepp mal auf den Regiestuhl gesetzt hat, sind bislang tipptoppe Thriller vom
Schlage «Stir of Echoes» oder «Secret Window» herausgekommen. Mit der Komödie «Ghost Town» wagt der 45-Jährige sich nun also in gänzlich neue Gefilde vor – und liefert verblüffenderweise seine mit Abstand
gelungenste Arbeit als Regisseur ab. Die vom Grundraster her nicht gerade revolutionäre Handlung würzt er mit frischen Ideen und frechem Witz, ton- und timingsicher führt er sie geschmeidig um
die schon von Weitem zu sehenden Hürden herum, und selbst auf der von Rührseligkeiten gepflasterten Zielgerade zeigt er keinerlei Anzeichen von Schwäche und macht zum Schluss sogar noch eine
raffinierte Volte. Es gibt in «Ghost Town» mithin keinen einzigen Moment, in welchem man sich wünschte, woanders zu sein.
Belohntes Risiko
Dass das eine solch süffige, Woody-Allen-haft grossartige und Cary-Grant-mässig wunderbare Komödie geworden ist, darf freilich auch einem Ensemble gedankt werden, bei dessen Zusammensetzung
gewisse Risiken eingegangen wurden. Einen eleganten Komödianten wie Greg Kinnear hiefür aufzubieten, läuft gewiss noch unter Nummer sicher; auch die leider chronisch unterbeschäftigte Téa Leoni
geht noch als einleuchtende Wahl durch. Doch an der Spitze eines Restgeleits von hochtalentierten Namenlosen den in den USA nahezu unbekannten Ricky Gervais zu besetzen, zeugt nicht nur von
Wagemut, sondern auch von Gottvertrauen in die fürwahr überragenden komödiantischen Fähigkeiten des Erfinders und Hauptdarstellers der britischen Kultserie «The Office». Just Gervais ist es denn
auch, der alle erwähnten Vorzüge sowie das geschmackvolle Optische und das angenehm Altmodische um das gewisse Etwas bereichert, namentlich das Unerwartete und nicht zuletzt eine Prise britischen
Humors. Dieser wirkt mit jenem klassisch hollywoodscher Prägung selbst noch zum herzergreifenden Ende hin derart symbiotisch zusammen, dass sich auch unter die gelegentlichen Tränen der Rührung
ein breites Grinsen einzuschmuggeln vermag.