von Sandro Danilo Spadini
Gemessen an seiner Popularität fristet König Fussball im Kino nach wie vor ein Bettlerdasein. Während ennet dem grossen Teich Hollywood die Baseball- oder Football-Fans schon seit je verwöhnt,
durften die sportlich eben anders gepolten Tifosi vom alten Kontinent von ihren Kinoschaffenden noch nie allzu viel erwarten. Aus dem in Sachen Fussballfilm ohnehin noch relativ aktiven
Vereinigten Königreich sind zuletzt indes gleich drei prominente Produktionen an die Adresse des dergestalt vernachlässigten Cineasten verschickt worden. Am unteren Ende der Qualitätsskala ist
dabei der von offensichtlichen Budgetproblemen belastete Abschluss der «Goal!»-Trilogie anzusiedeln; ganz oben findet sich die David-Peace-Verfilmung «The Damned United» über das 44-tägige
Fiasko-Engagement der Trainerlegende Brian Clough in Leeds; und etwa in der Mitte anzutreffen ist die Komödie «Looking for Eric» – ein Film, dessen Fussballbezug sich notabene in engeren Grenzen hält.
Klassischer Loach-Cosmos
Der Eric, nach dem hier Ausschau gehalten wird, ist freilich kein Geringerer als der philosophierende französische Fussballrebell Eric Cantona. Und in Szene gesetzt wurde der Ex-Star von
Manchester United, der seit seinem völlig überraschenden Rücktritt vor zwölf Jahren fleissig Filmerfahrung sammelt, von Regie-Urgestein Ken Loach. Wie zuletzt der stets in einem Atemzug mit Loach
genannte Mike Leigh, der andere grosse Sozialkritiker des Brit-Kinos, verlustiert sich nun also auch der 73-Jährige auf eher unvertrautem komödiantischem Terrain – wobei beim Kollegen der
Genrewechsel mit «Happy-Go-Lucky» ungleich geschmeidiger verlief. Loach schickt sich hier zwar auch an, für einmal etwas fürs Gemüt zu tun. Doch scheint es allzu oft so, als könne er einfach
nicht aus seiner Haut; das Filigrane, wie es wesentlicher Bestandteil in Cantonas Spiel war, ist jedenfalls keine Kernkompetenz Loachs. Mehr kantiger und bisweilen hüftsteifer Abwehrrecke
limitierter britischer Prägung, agiert er taktisch so trotz veränderter Spielanlage meist wie ehedem: Das Milieu ist trist, die Stimmung schlecht, der Ton rau, das Bild naturalistisch. Die Leute,
die diesen klassischen Loach-Cosmos besiedeln, sind die unbesungenen Helden der Arbeiterklasse, Typen mit ausbaufähigen Umgangsformen und grossen Herzen. Typen wie Postmann Eric (Steve Evets)
halt, und es wäre kein Loach-Film und ist offenbar auch keine Loach-Komödie, wenn es diesem gut ginge. Auslöser für die gerade akute Krise Erics ist ein Wiedersehen mit seiner Ex-Frau Lily
(Stephanie Bishop), die er vor bald 30 Jahren verlassen hat und sich beinahe so lange in sein Leben zurückwünscht – in ein schon hartes Leben, das ihm seine beiden Teenager-Stiefsöhne noch
zusätzlich schwer machen.
Mal drollig, mal dröge
Offen aussprechen würde es der liebeskranke und lebensmüde Mittfünfziger zwar nie und nimmer, doch jede Faser seines ausgemergelten Körpers schreit nach Hilfe. Und diese kommt dann eines Abends
tatsächlich: in der bärtig und fülliger gewordenen Person seines grossen Idols Eric Cantona, von «King Eric» also, «dem besten Fussballer, der je gelebt hat». Jetzt wird vor allem geredet, über
Gott und die Welt und ab und zu auch über Fussball, was dann von Einspielungen der grössten Cantona-Hits verbildlicht wird. Zur Sprache kommt dabei auch die just in England so zerstörerische
Kommerzialisierung des Fussballs, die alteingesessene Fans wie Eric verraten und vertrieben hat. Da Loach schon immer Anwalt der Verlierer der Globalisierung und der Kommerzialisierung war, würde
man erwarten, dass er hier einhakte und elaborierte. Doch stattdessen wendet er sich (zu) schnell wieder ab und versucht ungeeigneterweise Humoreinlagen, bei denen er sich öfters verdribbelt.
Gegen Ende nimmt er Cantona dann vermehrt aus dem Spiel und schlägt recht unvermittelt eine neue Richtung ein. So geht es im letzten Drittel statt um die Liebe und den Fussball und die Liebe zum
Fussball auf einmal um die kriminellen Energien von Erics Ältestem. Die grossen Gefühle, die in dieser mal drolligen, mal drögen Geschichte um kleine Leute liegen mögen, kann Loach aber auch mit
dieser Taktik nur bedingt hervorbringen.