Geld terrorisiert die Welt

Der deutsche Starregisseur Tom Tykwer legt mit «The International» einen Verschwörungsthriller von Hollywood-Format vor, der seinem Titel alle Ehre macht.

 

von Sandro Danilo Spadini

Die Finanzkrise hat auch Gewinner, Tom Tykwer etwa. Dessen neuster Streich «The International», an dem er vor fünf Jahren zu arbeiten begann, hat durch die momentanen Umstände einen solch kräftigen Aktualitätsschub erhalten, dass man den deutschen Regisseur geradewegs zum Krisenprofiteur oder Rezessionsgewinnler stempeln könnte. Es geht hier nämlich um Banken. Um böse Banken. Und es geht also um Gier, Zynismus, Menschenverachtung – all dies in einem Ausmass, dass man es nicht glauben kann oder glauben will. Vorschnell ins Reich der Fabeln verweisen wird man diesen Verschwörungsthriller von und im Hollywood-Format gleichwohl nicht. Inzwischen traut man diesen Leuten an den goldenen Schalthebeln ja alles zu – der Finanzkrise sei Dank.

Gegen die Niedertracht

Nach seiner mittelprächtigen «Parfum»-Adaption präsentiert sich Tykwer hier wieder in Topform. Mit einer internationalen Besetzung um den Engländer Clive Owen, die Australierin Naomi Watts, den Deutschen Armin Müller-Stahl und den Dänen Ulrich Thomsen legt der «Lola rennt»-Regisseur einen Streifen vor, der auch ohne die Finanz-Thematik ungeheuer zeitgemäss wäre. So ist «The International» ebenso rein filmisch absolut auf der Höhe der Zeit. Die Stimmung ist kühl, die Farbgebung ebenso, die Schauplätze sind zahlreich, die kriminellen Verstrickungen gleichfalls. Es ist dies per saldo ein weiterer Beleg für die Renaissance des Paranoiathrillers der Siebziger, die spätestens mit der Bourne-Reihe eingeläutet wurde und die seither das Genre fest im Griff hält. Weil der globale Machtapparat nun wieder als von Grund auf und in corpore niederträchtig auf die Leinwand gezeichnet wird, sind es in Filmen dieser Sorte immer Einzelkämpfer, die sich gegen schreiendes Unrecht stemmen. Und es sind immer lädierte Einzelkämpfer, die unter der Last einer schlimmen Vergangenheit ächzen. So auch hier. Der Mann, der es mit den Finanzverschwörern aufnimmt, ist ein früherer Scotland-Yard-Cop. Über seinen Hintergrund erfährt man zwar nicht viel, doch es hängt unverkennbar ein Schatten über diesem Louis Salinger (Owen). Inzwischen arbeitet er als Ermittler für Interpol, und als solcher kooperiert er gerade mit der New Yorker Staatsanwältin Eleanor Whitman (Watts). Freilich haben es die beiden mit einem wohl unschlagbaren Gegner aufgenommen, mit einem, dessen langer Arm scheinbar überallhin reicht und der keinerlei, wirklich keinerlei Skrupel kennt. Zu viel steht auf dem geopolitischen Spiel, als dass man etwelche Sentimentalität zeigen könnte; zu viele einflussreiche Kreise sind involviert oder tangiert. Mord und Totschlag werden so zum Programm. Zeugen werden liquidiert, Whistleblowers (mund-)tot gemacht, die schwächsten Glieder in der eigenen Kette ausgemerzt. Und das alles, um auf Kosten der Schwächsten weiterhin fette Profite aufs eigene Konto bei der schmutzig schaltenden und waltenden luxemburgischen Bank des brandstiftenden Biedermanns Skarssen (Thomsen) verbuchen zu können – und vielmehr noch: um die Ordnung dieser schönen neuen, globalisierten Welt aufrechtzuerhalten.

Botschaft im Zentrum

Geld terrorisiert die Welt: Das ist Botschaft von «The International», und übermittelt wird sie mit Paranoia und Pessimismus, wütend und anklagend, klar und deutlich. Sie scheint Tykwer und Drehbuchautor Eric Singer wichtig zu sein, diese Botschaft, zumal alles unternommen wird, um sie ins Zentrum zu stellen, und alles unterlassen wird, was von dieser ablenken könnte. Eine ökonomische Erzählweise, ein minimalistischer Soundtrack, bloss skizzierte Figuren, wenig Action – das Augenmerk soll sich ganz auf die Nadelstreifenmänner in den Glas-, Stahl- und Marmorpalästen der Hochfinanz richten, wo die Weltmacht in kleinem Kreis verschachert wird. Ironischerweise wird «The International» letztlich aber vor allem auch wegen einer seiner raren Actionszenen haften bleiben: als der Film mit der wilden Schiesserei im New Yorker Guggenheim-Museum. Weit wichtiger als diese – zugegebenermassen fulminante – Sequenz ist indes, dass Tom Tykwer hier einen intelligent zeitgemässen Thriller geschaffen hat, der amerikanische und europäische Kinostile versiert verschmelzt.