von Sandro Danilo Spadini
Eine Haxn hatte sich dieser James Gray zuvor wahrlich nicht ausgerissen; ganze drei Filme schrieb und inszenierte er in dreizehn Jahren. Nun jedoch lässt er mit «Two Lovers» nur ein rundes Jahr nach dem Drittling «We
Own the Night» schon den vierten Streich folgen. Und noch was ist diesmal komisch: Erstmals legt Gray keinen Krimi vor. Vielmehr erzählt er ein hoch emotionales Liebesdrama, in welchem er sich
gleichsam väterlich-beschützend eines verschrobenen Einzelgängers annimmt. Dass in Leonard (Joaquin Phoenix) eine zerrissene Seele haust, macht Gray umstandslos in der Auftaktszene klar, in der
sein Held nur knapp dem selbst herbeigeführten Ertrinkungstod entgeht. Noch am selben Abend wird sich dessen Blatt jedoch wenden. Hoffnung steht vor der Tür – und zwar buchstäblich und in der
Person von Sandra (Vinessa Shaw), der Tochter eines Geschäftspartners seines Vaters. Es funkt sofort zwischen Leonard und Sandra – indes nicht so heftig, wie es wiederum kurz darauf zwischen
Leonard und Michelle (Gwyneth Paltrow) funken wird. Gleich mit zwei zweiten Chancen auf neues Liebesglück konfrontiert Gray also seinen nach verpatzter Verlobung so arg lädierten Helden. Ein
Segen ist das für diesen aber nur bedingt.
Abseits des Glamours
Trotz frisch entdeckten Arbeitseifers und des neuen Genres: Mit seinen in den vorigen drei Filmen gehegten Gewohnheiten gebrochen hat Gray auch bei «Two Lovers» mitnichten. Seine bereits in
diesem frühen Karrierestadium straffe Signatur lässt sich nur schon an der Besetzung von Joaquin Phoenix ablesen; ihm hat er hier zum dritten Mal in Folge den Hauptpart übertragen. Der permanent
präsente Phoenix zahlt Gray das Vertrauen mit einer perfekten Performance zurück, die indes seine Abschiedsvorstellung sein könnte. Nimmt man den zweifach Oscar-nominierten Jungstar nämlich beim
Wort, wird er fürderhin die Schauspielerei sein lassen und sich ganz dem Rappen widmen. Es wäre dies ein herber Verlust fürs Kino – und nicht gerade ein grosser Gewinn für die Hip-Hop-Szene, wie
ein irritierender erster Auftritt des inzwischen zottelbärtigen Neo-Musikers unlängst fremdgeschämig gezeigt hat. Phoenix ist freilich nur eine der vielen Konstanten in Grays Œuvre. So reist der
40-jährige New Yorker etwa ungern. Im Juwel «The Yards» ist er wohl mal nach Queens ausgewichen, ansonsten aber bleibt er in Brooklyn. Diesmal hat es ihn in einen der hintersten Winkel des
Boroughs verschlagen, namentlich nach Brighton Beach, fern jeglichem Glamour, weitab der längst chic gewordenen nordwestlichen Viertel. Hier hat er abermals eines jener Immigranten-Milieus
vorgefunden, die fein zu beschreiben er zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Mit einer auf scharf gestellten Kameralinse und dem Auge des offenkundig Ortskundigen spürt Gray so denn auch im
jüdisch geprägten Brighton Beach manche charakteristische Kleinigkeit auf.
Aufrichtige Unschuld
Eingefangen hat Gray dies in den gewohnt stimmigen Blau-, Grün- und Brauntönen. Wie ebenfalls üblich ist das musikalisch sehr sensibel untermalte Bild natürlich wie künstlich höchst spärlich
beleuchtet, wobei Grays liebste Zeit ohnehin die Nacht ist. Die dadurch erzeugte Atmosphäre ist nicht nur ein weiteres Merkmal seiner Handschrift, sondern hat überdies die Funktion, das düstere
Innere seiner verwirrten Helden nach aussen zu kehren. Bei Leonard rührt diese belegte Befindlichkeit zwar anders als bei den bisherigen Hauptfiguren Grays nicht von kriminellen Clinches her;
vielmehr ist er in fast naiver Unschuld hin und her gerissen zwischen zwei Frauen, die eine hübscher als die andere, beide liebenswert, beide zerbrechlich, die eine umgänglich, die andere
kompliziert wie er. Doch hat der Genrewechsel nur oberflächlich zu einer thematischen Verschiebung geführt, stehen doch auch hier die Familie und ein suchender junger Mann im Fokus. Es sind die
ewigen Themen, die Gray interessieren, losgelöst vom Zeitgeist. Unmodern wirken so auch seine Filme, die inhaltlich zeitlos sind und formal am ehesten an die Siebziger gemahnen – ganz
aussergewöhnliche Filme sind das notabene, mit denen dieser James Gray allmählich zu einem grossen amerikanischen Autorenfilmer arriviert.