Auch Matt Damon findet die irakischen Waffen nicht

In «Green Zone» stellt Regisseur Paul Greengrass die Frage nach dem Warum des Irak-Kriegs und verbindet dabei temporeiches Actionkino mit politischer Bewusstseinsschärfung.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wo sind denn nun diese Massenvernichtungswaffen? Paul Greengrass, Regisseur der beiden letzten Bourne-Filme, hat abermals Matt Damon rekrutiert und ihn nach Irak gesandt. Und daselbst sucht dieser nicht nach seiner Identität, sondern eben nach dem Grund für die US-Invasion. Dass er nicht fündig werden wird, wissen wir, nicht aber der von ihm verkörperte Chief Warrant Officer Roy Miller. Denn es ist in «Green Zone» das Jahr 2003, Saddam ist gerade erst gestürzt, und Miller hat wie viele Amerikaner seiner Regierung geglaubt, als diese mit dem Bedrohungsszenario angeblicher irakischer «Weapons of Mass Destruction» für ihren Krieg weibelte. Nachdem er nun aber schon zum dritten Mal ins Leere gelaufen ist auf seiner Suche, regen sich in Miller Zweifel: zunächst an der Qualität der Quellen, dann an den Nachrichtendienst-Berichten, schliesslich an den Motiven der Politiker. Die in Washington wollten bloss etwas, was sie auf CNN zeigen könnten, mahnt ihn ein eher zynisch veranlagter Kollege zu weniger Ehrgeiz und mehr Denkfaulheit. Doch Miller reicht es nicht, bloss Befehlen zu folgen – er will die Gründe dafür kennen, warum er hier ist. Noch ist sein Vertrauen nicht erschüttert, noch ist die Wahrheit unvorstellbar, noch ist es eine düstere Ahnung. Doch diese verdichtet sich stetig und weitet sich endlich zum veritablen Verdacht aus, als ein kantiger CIA-Mann (Brendan Gleeson) an ihn herantritt und konspirativ grummelt: «Irgendwas stimmt hier nicht.»

Idealer Regisseur

Es ist an der Zeit, dass auch im Kino breit aufgearbeitet wird, was hier nicht gestimmt hat. Es ist höchste Zeit, dass die grosse Kriegslüge millionenfach ans Licht der Leinwand gezerrt wird. Und kaum einer wäre geeigneter, dies zu tun, als Paul Greengrass, der sich zwischen seinen beiden Bourne-Filmen in «United 93» schon 9/11 annahm. Schliesslich ist der Engländer nicht nur Hollywoods derzeit aufregendster Actionregisseur, sondern auch ein Filmemacher mit hohem politischem Bewusstsein. Beides dient den Intentionen eines Films wie «Green Zone» sehr: Ersteres generiert breite Massen an den Kassen; Letzteres garantiert, dass diese auch glauben, was sie sehen. Basis für die Glaubwürdigkeit ist sicherlich das Skript, verfasst von Brian Helgeland («Mystic River»), beruhend auf dem Buch des vormaligen «Washington Post»-Reporters Rajiv Chandrasekaran. Ebenso hilfreich ist die Top-Besetzung in Damons Gefolge mit einem halben Dutzend schnörkellos agierender Charakterköpfe. Entscheidend ist aber die krakelige Greengrass-Handschrift, die schon nach vier grösseren Produktionen unverkennbar ist: Schnell, laut, roh, wirr, fiebrig, authentisch, hypnotisierend ist sein Inszenierungsstil. Immer nah dran am Mann. Immer am Abzug. Immer mitten im Gefecht.

Sofort mittendrin

So auch in «Green Zone». Die Schnittzahl ist bei diesem Cousin des Oscar-Siegers «The Hurt Locker» zwar leicht tiefer als in «The Bourne Ultimatum», der Ton weniger dokumentarisch-realistisch als in «United 93». Doch schnell, laut, roh, wirr, fiebrig, authentisch, hypnotisierend ist auch dieser Film ab Klappe eins. Sofort zieht Greengrass einen rein in die «Green Zone», die Internationale Zone im Zentrum Bagdads, wo der Schacher über das Schicksal des Landes läuft. Vielköpfig ist das Personal, verworren sind die Loyalitätsverhältnisse der Player: Soldaten, CIA-Leute, Zivilisten, Informanten, die entmachteten Baathisten um General Al Rawi (Igal Naor), im Kriegsvorfeld instrumentalisierte Reporter wie Lawrie Dayne (Amy Ryan), dienstfertige Agendapolitiker und skrupellose Schreibtischtäter wie Clark Poundstone (Greg Kinnear). Hitzig sind die Debatten in den abgedunkelten Hinterzimmern, fatal die Fehleinschätzungen der Entscheidungsträger, die nicht über die Grüne Zone hinausdenken. Und überall gibt es diese Spielchen, die zu Intrigen werden, die zu handfesten Verschwörungen werden. Alles ist Politik. Alle sind schuldig. Alle sind ernüchtert – die Soldaten, die Presse, die Iraker sowieso, schliesslich auch die Politiker. Und alles ist Kino pur. Alles ist Action. Und alles ist immer auch Realität.