Vespa-Larry beginnt nochmals von vorne

Tom Hanks‘ Regie-Zweitling «Larry Crowne» ist so brav und nett wie die Titelfigur. Das Glanzlicht in der ambitionslosen romantischen Komödie setzt Julia Roberts.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wenn Starmimen zum Regiezepter greifen, dann tun sie das gemeinhin für ehrgeizige Herzensprojekte – so wie Robert Redford, George Clooney oder auch Ben Affleck. Ganz anders tickt da Tom Hanks. Verschreibt er sich dem Inszenieren, ist eine auffällige Ambitionslosigkeit auszumachen. Das war bei seinem Regiedebüt «That Thing You Do» so, das ist 15 Jahre später beim Zweitling «Larry Crowne» nicht anders. Immerhin ist Hanks aber voll da, wenn er etwas Eigenes anpackt: Das Übernehmen der Hauptrolle ist sowieso gebongt; und das Skript schrieb er sowohl zum nostalgisch-charmanten Rock-‘n‘-Roll-Schwank «That Thing You Do» als auch zur nonchalant-gefälligen Komödienromanze «Larry Crowne» (dies im Verbund mit «My Big Fat Greek Wedding»-Kollegin Nia Vardalos). Weil er beim zweiten Versuch zudem als Produzent amtete, taucht sein Name hier im Vorspann sogar fünfmal auf: Der Mann ist offenkundig stolz auf sein Kino-Baby. Und es sei ihm gegönnt, schliesslich werden auch wir in den folgenden flüchtigen 100 Minuten einigermassen auf unsere Kosten kommen – so wir denn nicht zu viel erwarten.

Ab an die Uni

Auch gar nicht so viel erwartet die Titelfigur, erwartet der Supermarkt-Angestellte Larry Crowne (Hanks). Larry Crowne macht dröge Konversation und schale Witze, hat eine fade Frisur und einen kleinen Bauch, trägt das Polohemd in der Hose und das Handy am Gürtel. Nein, Larry Crowne ist kein cooler Typ. Und sein Leben ist ein unaufgeregtes. Wenigstens jetzt wieder, da die Scheidung durch ist, die laut Larry «ein Blutbad» war. Jetzt ist er froh, wenn alles so bleibt, wie es ist: wenn er seine Finanzen im Griff hat, die nach dem Überhitzen des Immobilienmarkts aus den Fugen gerieten; wenn er in seinem Haus wohnen bleiben darf, für das er der Bank noch 392 000 Dollar schuldet; wenn er vielleicht ein neuntes Mal zum Mitarbeiter des Monats gewählt wird. Damit jedenfalls spekuliert er, als er in den ersten Filmminuten ins Büro des Chefs zitiert wird. Doch dann fällt das böse Wort «Restrukturierung», und nach einem langen ratlosen Augenblick fällt auch bei Larry der Groschen: Er ist gefeuert. Dass es ausgerechnet ihn erwischt hat, wird ihm mit mangelnder Perspektive begründet – und das wiederum damit, dass er nie auf der Uni war. Just dies will Larry nun nachholen. Zeit hat er jetzt ja, und das fehlende Geld holt er rein mit einem Teilzeitjob in seinem Stammrestaurant und dem Eintausch seines Spritschluckers gegen eine Vespa. Der neue fahrbare Untersatz erweist sich noch von weiterem Nutzen: Er trägt ihm sogleich die Bekanntschaft mit der freigeistigen Kommilitonin Talia (Gugu Mbatha-Raw) und ihrer Vespa-«Gang» ein. Und nicht nur das: Die junge Schönheit sieht in dem teddybärhaften Biedermann quasi ein Projekt und nimmt ihn zwecks äusserer wie innerer Attraktivierung unter ihre Fittiche. Die für ihn wie uns weit wichtigere Bekanntschaft macht Larry indes im Klassenzimmer beim Kurs «Die Kunst des informellen Ausdrucks»: mit der abgelöschten und trinkfreudigen Lehrerin Mercedes respektive einer erstklassigen Julia Roberts.

Herz und Farbtupfer

So wie die anstrengende Talia sein Leben verändert, so wird Larry jenes der gestrengen Mercedes verändern. Auf welche Weise das und alles andere passieren wird, ist angesichts der sehr vertrauten Ereignisse im Vorfeld unschwer zu erraten. Denn bald verliert Hanks das Interesse an den Sorgen des amerikanischen Mittelstands und tuckert stattdessen – selbstverständlich mit Helm – vergnügt auf Hollywoods höchstfrequentiertem Komödien-Boulevard zum Happy End. Sein Timing ist dabei nicht immer ideal, und dass er sich visuell nicht eben als grosser Stilist hervortut, passt zur unambitionierten Schreibe. Wettzumachen vermag Hanks einiges davon mit einer Extraportion Herzlichkeit und zwei, drei Farbtupfern: dem lüpfigen Soundtrack, schmucken Schauplätzen oder «Breaking Bad»-Star Bryan Cranston als pornosüchtigem Blogger. Fetzen sich Letzterer und seine sarkastische Filmgattin Mercedes auf der Leinwand, wird auch ab und zu an der spiegelglatten Oberfläche gekratzt. Ansonsten ist das einfach ein netter Film über einen netten Mann.