von Sandro Danilo Spadini
Vorbei die Zeiten, als die Sequelititis nur in Hollywood grassierte. Längst hat sich die auch Gemeines Fortsetzungsfieber genannte Studiobossen-Krankheit auf Europa ausgebreitet. Als
epidemiologisch ist die Lage zwar noch nicht einzustufen; doch gerade in Italien und Deutschland steigt die Zahl von Sequelititis-Fällen rapide an. Freilich weist das Fieber hier unterschiedliche
Symptome auf: Weil es sie in Europa schlicht nicht gibt, werden hier anders als in Hollywood nicht kostenintensive Actioner fortgesetzt, sondern vornehmlich Romanzen und Komödien. So gabs in
Italien kürzlich den dritten Band von «Manuale d’amore» sowie den «L’ultimo bacio»-Nachfolger «Baciami ancora». Und so gibts in Deutschland nun nach je fünfmal «Werner» und «Wilde Kerle» sowie
dem bestürzend miesen «Keinohrhasen»-Nachklapp «Zweiohrküken» nun die «Männerherzen» nochmals.
Kein roter Faden
«Männerherzen…und die ganz, ganz grosse Liebe»
heisst dieses Sequel, und begrüssen kann man darin fast alle (archetypischen) Protagonisten des ersten Teils aufs Neue. So auch Til Schweiger. Er bestreitet hier den Auftakt, der geradezu
brillant ist, praktisch nahtlos anknüpft und perfekt das Feld bestellt für die nächsten 100 Minuten. Schweiger darf bei diesen erneut pochenden «Männerherzen» abermals seinem liebsten Tun frönen:
den harten Kerl in weichen Situationen spielen – wobei «spielen» recht stark nach «schauspielern» klingt, und just das ist etwas, was das Charles-Vögele-Model so gut nun auch wieder nicht kann.
Aber wurscht. Als Jerome, der eigentlich Hansi heisst und jetzt eine Auszeit von Berlin und seinem DJ-Leben braucht, mischt Schweiger also auch mit, indes mehr am Rande. Und das ist vielleicht
gut so, haben so doch andere mehr Platz, die sich stärker ins Zeug legen als Schweiger alias Jerome alias Hansi, der es sich in ländlichen Gefilden bei Muttern bequem gemacht hat und auf dem
Ponyhof einer neuen Prinzessin nachstellt. Die Fäden, die hier gar nicht erst rot eingefärbt werden, laufen wenn schon bei seinem Kumpel Bruce Berger zusammen. Und auch das ist sehr gut so. Denn
Bruce Berger wird gespielt von Justus von Dohnányi, und der rockt in der Rolle dieses stets bizarr kostümierten Schlagerbarden ganz gewaltig. Ihm ist auch der Filmtitel geschuldet: Mit der
einiges Hitpotenzial bergenden «Ganz, ganz grossen Liebe» gedenkt Bruce nämlich sich aus finanziellen Tumulten zu schmachten. Dazu jedoch müsste er erst mal nüchtern werden. So nüchtern
vielleicht wie Günther von der Gewerbeaufsicht, putzig verklemmt verkörpert von Christian Ulmen. Der ist noch immer an Susanne (Nadja Uhl) dran, freilich nicht ganz so nah, wie sie es sich
wünschte. Nach acht Jahren ohne Sex spukt in ihm aber halt die Versagerangst, und die Tipps von Jerome versteht er dann auch noch völlig falsch. Ein Glück bloss für Günther, sitzt Susannes Gatte
Roland (Wotan Wilke Möhring) noch im Knast – letztes Mal hat der ihn ja zu den Krokodilen geschmissen.
Punktgenaue Scherze
Wer sich nicht erinnert, was denn damals genau mit Günther, Susanne, Roland und all den anderen geschah, hat ebenfalls Glück: Kurze Rückblenden helfen einem da und dort auf die Sprünge. Kaum
nötig ist das bei Philipp (Maxim Mehmet) und Nina (Jana Pallaske): Ihr Bauch spricht Bände – und bei den Szenen in der esoterischen Schwangerschaftsgymnastik bleibt kein Auge trocken. Hier wie
andernorts operiert Regisseur und Autor Simon Verhoeven, der schon den Vorgänger verantwortete, mit Running Gags. Und er tut gut daran, denn diese wiederkehrenden Scherze zünden punktgenau. So
wie der Humor überhaupt hier – die (wenigen) Schwächen wie das überlaute Abspulen der vorletzten «Bravo»-Hits bei den Szenenwechseln oder die tiefenlosen Figuren lassen sich so locker weglachen.
Sowieso muss Verhoeven für seine Zielgenauigkeit ein Kranz gewunden werden. Timing und Rhythmus hat er jedenfalls voll im Griff bei der nicht leichten Montage der einzelnen Episoden seines Zeit-
und Berliner Geist atmenden Kaleidoskops der Liebe und all ihrer Facetten. Und dass er beim Übergleiten vom Spassigen ins Romantische nicht plötzlich anfängt, hollywoodmässig mit der grossen
Kelle im Schmalztopf zu rühren, sei ihm unbedingt auch verdankt.