von Sandro Danilo Spadini
Alles dreht sich im Kreis. Die Fahrt im Ödland, die Hollywood-Star Johnny Marco (Stephen Dorff) eingangs in seinem Ferrari absolviert. Die leichtbeschürzten Zwillingsblondinen, die in zwei kurz
aufeinanderfolgenden Szenen vor Johnnys Bett an einer Stange tanzen. Die elfjährige Tochter (Elle Fanning), die auf dem Eis ihre Pirouetten dreht. Und nicht zuletzt Sofia Coppolas
Hollywood-Meditation «Somewhere» selbst. Denn die
führt nicht etwa irgendwo, sondern nirgendwo hin. Und das ist durchaus gewollt so, das möchte Sofia Coppola in ihrem vierten Spielfilm genau so haben. Ob man das auch begrüssen mag, ist freilich
eine ganz andere Frage. Bereits anhand der Auftaktsequenzen mit dem Ferrari, dem gedoppelten Blondinen-Doppel und dem Eislaufen lässt sie sich beantworten, sind diese doch hinreichend
programmatisch für das Kommende: Sie dauern je rund drei Minuten, es geschieht nichts. Der Film wird insgesamt fast hundert Minuten dauern, es wird nur kaum mehr als nichts geschehen.
Verloren in Belanglosigkeit
Mit den vier Kreis-Szenen will Coppola ihr Publikum in einen bestimmten Zustand versetzen. Dieser Zustand kann Schlaf sein. Idealerweise und in seiner intendierten Form aber ist er etwas, was dem
Gefühl der Midlife-Crisis der Hauptfigur ähnelt und so Identifikation mit dieser schafft. Anteilnahme wäre auch schon gut, mit losem Interesse liesse sich grad noch leben. Doch ist das einfacher
gewünscht als getan. Nicht dass der Hoteldauerbewohner Johnny ein allzu wehleidiger Hollywood-Schönling wäre, den es neidvoll zu verachten gälte. Der eigentlich schon längst in die Niederungen
der Direct-to-Video-Produktionen entschwundene Stephen Dorff spielt diese überraschend ergatterte Prestigerolle durchaus sympathisch: Wie Johnny mit dem Töchterchen die Zeit totschlägt, hat
geradezu etwas Rührendes. Wie er beim Pressetermin in Rom den italienischen TV-Schwachsinn erträgt, verdient Respekt. Und wie er sich scheinbar gleichmütig in der Leere des Star-Daseins auflöst,
ist entwaffnend konsequent. Wer dieser Johnny jedoch ist und woran genau er krankt, geht letztlich verloren in Belanglosigkeit. In seinem Ennui tut er halt einfach nur das, was man als
Hollywood-Star wohl so tut, wenn man sich langweilt: Ferrari fahren, Stripperinnen zugucken, des Öfteren einen zischen, unpersönlichem Geschlechtsverkehr frönen. Um das zu erfahren, hat man Sofia
Coppola und ihr formal ungewohnt karges Bleistift-Sittengemälde aber nicht gebraucht.
Vom Thron geholt
In der Familie Coppola wird ja gerne über das Künstler-Dasein nachgedacht. Vater Francis Ford hat es eben ganz passabel im Mini-Comeback «Tetro» getan, Sohn Roman vor fast zehn Jahren knapp
überambitioniert in seinem einzigen Spielfilm «CQ», Tochter Sofia in weit aufsehenerregenderer Weise in ihrem Zweitling «Lost in Translation». Dank diesem ist sie etwas voreilig zur allseits
gehätschelten Regie-Prinzessin erkoren worden, und an diesen knüpft sie nun in der Grundkonstellation allzu nahtlos wieder an. Wie nötig es ist, dass sich jemand in seinem vierten Film zum
zweiten Mal um einen kriselnden Schauspieler im Stand-by-Modus kümmert, ist wohl fraglich. Weit fraglicher ist aber, ob man dafür in Venedig auch noch einen Goldenen Löwen ausgeben muss. Wenn die
wichtigste Erkenntnis eines Filmes darin liegt, dass die kleine Elle Fanning das Ebenbild ihrer älteren Schwester Dakota ist, dann ist das schliesslich doch sehr dürftig. Zwar tischt Coppola
neben müssigen Insider-Jokes und üblen Kalauern noch den einen oder anderen Schmunzler auf und holt aus den elend langen Einstellungen zwei, drei optische Schmankerl heraus. Doch all das kriegt
man anderswo günstiger, also nicht um den Preis einer veritablen Desillusion. Denn hat man in «Marie Antoinette» Coppola noch fasziniert beim Scheitern zugeschaut, so langweilt man sich bei
«Somewhere» bloss noch. Und es bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass man Prinzessin Sofia schleunigst vom Thron holen muss und der nach «Lost in Translation» veranstaltete Hype um sie eben nur
gerade das war: ein hysterischer Hype.