Wenn nicht mal George Clooney die Welt bewegen kann

In «The Ides of March» wirft George Clooney einen klugen Blick hinter die Kulissen der US-Politik. Seine traumhaft besetzte vierte Regiearbeit lässt dennoch Wünsche offen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Er muss gewinnen», insistiert Kampagnenhelfer Stephen Meyers (Ryan Gosling). Und wenn der 30-Jährige dann weiter über die demokratischen Vorwahlen und «seinen» Kandidaten Mike Morris (George Clooney) spricht, spürt man, dass er wirklich an diesen Gouverneur aus Pennsylvania glaubt. Kein Wunder, scheint Morris doch der Fleisch und Seitenscheitel gewordene Idealtyp des zeitgemässen Liberalen: Er will erneuerbare Energien fördern, keine Kriege für Öl mehr führen und nicht weiter Gelder an die Reichen umverteilen. Morris überzeugt, und deshalb liegt er in den Umfragen auch vor seinem letzten verbliebenen Opponenten. Weil der Vorsprung aber hauchdünn ist, steht hier, in dem an Elektorenstimmen reichen Ohio, einiges auf dem Spiel. Und eben weil so viel auf dem Spiel steht, braut sich bald was zusammen über dem Kandidaten: ein «Shitstorm», wie die Amerikaner sagen, wenn keine Kinder zuhören. Nun lernen Leichtmatrosen ihre Lektion und übernehmen Männer mit Bärten das Ruder. Es schlägt also die Stunde der Kampagnenleiter Paul Zara (Philip Seymour Hoffman) und Tom Duffy (Paul Giamatti), die beide schon in der Politik tricksten, als Gott noch ein Kind war. Und nun wird es unschön.

Vertrauen und Verrat

Es ist mitnichten nur feurig-jugendlicher Idealismus, der in Stephens Worten und überhaupt in George Clooneys vierter Regiearbeit «The Ides of March» durchdringt. Es ist vielmehr auch diese kollektive Hoffnung auf Wandel und Aufbruch, wie sie vor drei Jahren herrschte. Und gleichzeitig wird hier auch die Enttäuschung bereits vorweggenommen, wird die gewagte Hoffnung relativiert. Denn letzten Endes scheinen immer die Zyniker die schlagenderen Argumente zu haben. Leute wie Zara und Duffy. Oder die «New York Times»-Reporterin Ida Horowicz (Marisa Tomei), die Stephen in Wolkenkuckucksheim wähnt und ihm entgegenhält: «Es wird sich nichts ändern. Mike Morris ist ein Politiker. Er wird dich im Stich lassen, früher oder später.» Dass das tendenziell eher früher sein wird, zeichnet sich spätestens dann ab, wenn Clooney die anfängliche Zuversicht allmählich weginszeniert: erst durch eine thrillerhafte Dramatik, später auch durch eine gewisse Melancholie. Es ist da der Zeitpunkt gekommen, wo alle mit Schmutz schleudern. Wo das übliche Schmierentheater mit Ränkespielen und Hinterzimmerdeals einsetzt. Wo sich Strategie- und Krisensitzungen jagen. Wo bald sämtliche Beteiligten ihre letzten Sympathien verspielt haben. Und wo der leicht schnöselige Stephen lernt, dass andere noch cleverer, noch durchtriebener sind als er – und er also zum jungen Helden klassischen Zuschnitts wird in einem letztlich vor allem persönlichen Drama um Vertrauen und Verrat. Weil Clooneys Film ebendies ist, reiht er sich freilich auch nicht ein in die Tradition solch informativer Wahlkampf-Klassiker wie Gore Vidals «The Best Man» (1964), des Robert-Redford-Vehikels «The Candidate» (1972) oder Mike Nichols‘ «Primary Colors» (1998). Denn trotz so hoffnungsvollem Beginn lüftet Clooney den Vorhang schliesslich nur einen Spalt, wenn er uns seinen Blick auf die zusehends zur Zirkusmanege verkommende politische Arena der USA präsentiert. Und die traurigen und hässlichen Wahrheiten, die er dabei aufzeigt, sind leider allzu bekannt.

Immense Erwartungen

Inszeniert hat Clooney das Ganze dermassen straff und diszipliniert, dass es teils allzu technisch wirkt. Auch wenn ihm die Sache offenbar zu wichtig war, um für die Galerie zu drehen: Ein wenig mehr Emotionen hätte es vertragen. Indes sind die Voraussetzungen schlicht zu grandios, als dass diese Golden-Globe-nominierte Adaption des Theaterstücks «Farragut North» tatsächlich scheitern könnte. So betreten schon im Prolog ein halbes Dutzend Stars das Parkett, von denen jeder für sich das Eintrittsgeld wert wäre. Und wie man es von einer solch klugen Geschichte erwarten darf, sind die Dialoge von exquisiter Qualität. Gross, fast übergross waren im Vorfeld die Erwartungen an den Film, den Clooney schon 2007 machen wollte, angesichts des allgemeinen Optimismus nach Obamas Wahl aber zunächst aufschob. Und ironischerweise erfüllt Clooney gleich wie Obama die immensen Erwartungen nicht ganz. Am Ende jedenfalls ist die (Film-)Welt noch dieselbe.