von Sandro Danilo Spadini
Die Gattin möchte für ein Jahr in Urlaub fahren; die Geliebte begehrt mehr Beachtung; der Kumpel will jetzt aber wirklich seine 412 Millionen Dollar zurück; das Spital wartet auf den längst
versprochenen Spendenscheck; und der Investor taucht einfach nicht auf, um endlich diesen vermaledeiten Fusionsvertrag zu unterzeichnen. Kurzum: Robert Miller (Richard Gere) steht unter
Hochdruck. Denn das selbst ernannte «Orakel» hat pünktlich zum 60. Geburtstag seinen Hedgefonds in den Orkus spekuliert und die Hälfte von dessen Vermögen vernichtet. Die Verluste seiner
Investoren müsste Robert nun persönlich decken – was für ihn aber keine Option ist. Stattdessen drohen ihm rustikale 20 Jahre Haft, weil er die Bücher derart keck frisiert hat, dass alles okay
scheint. Eine Bank ist daher trotzdem drauf und dran, sich die taumelnde Wallstreet-Bude für eine Unsumme einzuverleiben. Die Zeit aber drängt. Der Schwindel könnte jeden Moment auffliegen. Das
Leben in New Yorker Luxus droht jäh zu enden. Das Eis wird immer dünner, das Parkett immer glitschiger, der Boden unter den Füssen immer heisser. Alles steht auf dem Spiel: die Familie, das Geld,
die Freiheit. Und jetzt noch das: Am Steuer seines Wagens verfällt Robert in einen Sekundenschlaf. Das Auto überschlägt sich. Mehrmals. Kommt zerquetscht zum Stehen. Mit einem verletzten Robert.
Und einer toten Geliebten (Laetitia Casta).
Fieser Trick
Einen Typen wie diesen Robert Miller könnte Richard Gere natürlich auf Autopilot spielen – tut er aber nicht. Vielmehr agiert der 63-Jährige in «Arbitrage» so inspiriert, als wolle er seiner
eingeschlafenen Karriere nochmals neuen Schub verleihen. Und er vermag dem oberflächlich mustergültigen Familienmenschen und vorbildlichen Geschäftsmann sogar eine halbwegs freundliche Maske zu
geben, obwohl der einfach alles tut, um sich unseres Hasses zu vergewissern. So ruft dieser Bastard nach dem Unfall nicht etwa schluchzend einen Krankenwagen – sondern mehr genervt denn bedrückt
den Sohn seines früheren Chauffeurs (Nate Parker) in Harlem, auf dass dieser ihn heim zur schlafenden Frau (Susan Sarandon) bringe. Und im Zuge seiner geschäftlichen Missetaten ist er sich auch
nicht zu fein, seine von ihm als CFO installierte Tochter (Brit Marling) zu verraten. Dass Robert bei alledem nicht wie der Schuft, der er ist, rüberkommt, ist auch einem so fiesen wie effektiven
Trick von Regieneuling Nicholas Jarecki geschuldet. Dieser bringt einen regelrecht in die Zwickmühle: indem er den gegenwärtigen Verdruss mit den hochrisikofreudigen Superreichen dieser Geldwelt
gegen das ewige Kino-Axiom ausspielt, dass man grundsätzlich mit der Hauptfigur fiebert. Und in dieser Hinsicht hält Jarecki einen auf Trab: Wenn ein ausgefuchster Kommissar (Tim Roth) sein
Katz-und-Maus-Spiel mit dem Wallstreet-Wolf Robert zu treiben beginnt, steigert sich die Spannung im Sekundentakt. Dies freilich ganz dezent. Denn Jarecki inszeniert diesen aufs Private
heruntergebrochenen Wirtschaftsthriller trotz seines so heutigen Themas geradezu gestrig: in gemächlichem Tempo, gedämpftem Licht, gedeckten Farben und gediegenem Ambiente.
Geld, Geld, Geld
Vereinzelt freilich wünschte man sich dann doch mehr Wagnis und weniger Beherrschung: ein Kabinettstückchen hier vielleicht, einen empörten Aufschrei da womöglich. Jarecki, der auch das Skript
verantwortet, bleibt aber konsequent schnörkellos und sachlich. Und er schreckt auch nicht davor zurück, gelegentlich zu langweilen: etwa wenn er blasse Typen über immer nur das eine reden lässt
– Geld, Geld, Geld. Dem Spektakel zuwider läuft zudem der Umstand, dass die Bösewichte von heute keine schillernden Schlawiner mit öligem Antlitz und schamlosem Spottgrinsen mehr sind – sondern
schale Scheitelträger mit öden Anzüge und randlosen Sehhilfen. Weil Jarecki jedoch auf jegliche Zuspitzung verzichtet, bringt er letztlich umso mehr Licht in die kriminellen Umtriebe dieses
dekadenten Geldadels. Und hinter seine gescheiten Betrachtungen setzt er einen Schlusspunkt, der dann doch noch beiderlei ist: verblüffend und aufwühlend.