von Sandro Danilo Spadini
Mit diesen Zeitreise-Filmen ist es sowieso eine ziemlich komplizierte Sache. Und selbst nachdem man die fantastische Prämisse einmal als hinreichend plausibel angenommen hat, stellt sich einem
noch unentwegt die Sinnfrage: bei der – je nach Güte des Gebotenen motivierten – Suche nach Logiklöchern. Fieberhaft ist diese bei den absehbar verunglückten Streifen, wenn man danach zu beweisen
trachtet, man sei dann also schon klüger als die Macher jenes Machwerks; bang ist sie hingegen bei den aussichtsreichen Trips, wenn man eigentlich gerade den Beweis schuldig bleiben will, dass
das alles doch wieder nur Humbug ist. Der 30-Millionen-Dollar-Wurf «Looper» gehört in letztere Kategorie. Und die gute Nachricht ist: Es scheint in Sachen Sinnhaftigkeit so weit alles in Ordnung zu
sein. In der Stephen-Hawking-Facebook-Gruppe wird sich zwar sicher der eine oder andere finden, der das anders sieht; aber für den kommunen Marty-McFly-Fan passt das tipptopp. So, das wäre also
geklärt. Und damit ergeht nun die Aufforderung: zurücklehnen und geniessen!
Ein bizarres Schicksal
Okay, allzu weit zurücklehnen sollte man sich dann vielleicht doch nicht. Nur weil das meiste hier Sinn hat, heisst das nämlich noch lange nicht, dass der Plot frei von Knacknüssen wäre. Zu
verantworten hat diesen wie auch die Inszenierung der 38-jährige Rian Johnson, der Vater der originellen Film-noir-Variation «Brick» und des demgegenüber dann doch ordentlich absackenden
Gaunerstücks «The Brothers Bloom». «Looper» nun ist Johnsons Drittling, und es ist ihm schon im Prolog, ja war ihm schon im Trailer, ach was: schon am Poster anzusehen, dass hier jemand Grosses
vorhat – und dass dieser Jemand auf dem Weg dorthin dankenswerterweise auch Pfade abseits des Mainstreams beschreiten würde. Für seine Reise durch die Zeit und die Genres hat Johnson wieder
seinen Lieblingsmimen Joseph Gordon-Levitt aufgeboten, der seit «Brick» längst zum Star avanciert ist. Ihn inszeniert er hier als Auftragskiller in den Ruinen einer Metropole: Es ist das Jahr
2044; noch sind Zeitreisen nicht möglich – in 30 Jahren aber werden sie Realität und bereits wieder verboten sein. Genutzt werden sie trotzdem: von einem Verbrechersyndikat, das seine Opfer zur
spurlosen Entsorgung in die Vergangenheit beamt – die Hände verbunden, ein Sack über dem Kopf und Silberbarren am Leib für den mit abgesägter Schrotflinte wartenden Killer. Looper werden diese
Scharfrichter genannt, und ihnen ist ein bizarres Schicksal beschieden: Früher oder später wird ihnen auch ihr exakt 30 Jahre älteres Ich zur Erschiessung geschickt, auf dass sich der «Loop
schliesst». Zu erkennen ist das bejahrte Selbst dann daran, dass es Gold- statt Silberbarren dabeihat. Im Fall von Joe indes handelt es sich hierbei um einen weder willfährigen noch
entsorgungswilligen Bruce Willis. Der trägt denn auch keinen Sack über dem Kahlkopf; stattdessen knallt er seiner jüngeren Ausführung das Gold an die Rübe und gibt Fersengeld. Seinen Loop laufen
zu lassen, ist aber eine extrem schlechte Idee und wird gerade drüben in der Zukunft von dem omnipotenten Oberfiesling Rainmaker so gar nicht goutiert. Und deshalb steht der junge Joe jetzt unter
Mordsdruck, sich selbst zu jagen und zu erlegen – derweil der alte Joe dasselbe mit der Kindsversion des Rainmaker zu tun versucht und dessen Häscher wiederum beide Joes im Visier haben.
Stimmig, flüssig, rassig
Für Nervenkitzel ist in «Looper» also gesorgt, für reichlich mehr freilich auch. Denn Johnson und seine phänomenalen Darsteller servieren hier mitnichten nur ein stimmiges Science-Fiction-Rätsel,
keinesfalls einfach einen flüssigen Zeitreise-Spass und schon gar nicht bloss einen rassigen Katz-und-Maus-Thriller. Vielmehr bedient dieses raffiniert geschriebene und elegant inszenierte
Kunststück quasi die gesamte Palette der Ansprüche: von packender Action über trockenen Humor bis zu philosophischen Reflexionen über Werden, Sein und Vergehen. Und alledem jubelt Johnson derart
viele Szenen zum Zungeschnalzen unter, dass man noch in die Mottenkiste greifen und das länger bereits verpönte Prädikat «Kult» hervorkramen muss.